AD(H)S Spektrum und Häufigkeit

Die Prävalenzrate für AD(H)S bei Kindern wird heute mit 5-10% angegeben. Die unterschiedlichen Häufigkeitsangaben sind vermutlich darauf zurück zu führen, dass unterschiedliche Diagnosekriterien angewandt wurden. Neuere Studien haben das Verhältnis von betroffenen Frauen und Männern, welches früher mit 1:9 angeben wurde, auf 1:3 korrigiert. Einige Untersuchungen gehen sogar von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis aus, weil hypoaktive Mädchen und Frauen seltener störend auffallen und somit seltener diagnostiziert werden.

AD(H)S ist keine Modediagnose. Früher gab es zwar den Begriff AD(H)S nicht, aber es ist anzunehmen, dass es auch in der Vergangenheit Menschen mit einer Disposition für AD(H)S gegeben hat. Man hatte früher aber andere Erklärungen für die typischen Symptome. Die Lebensumstände und die Alltagsanforderungen unterschieden sich deutlich von unserer heutigen Welt.

Von den betroffenen Kindern und Jugendlichen haben zwischen 30% und 70% auch im Erwachsenenalter mit AD(H)S-Symptomen zu kämpfen. Die Prävalenzrate für AD(H)S im Erwachsenenalter wird mit 1-5% angegeben. Bei der Persistenz verändert sich häufig das Erscheinungsbild der AD(H)S. Im Erwachsenenalter steht die Hyperaktivität meist weniger im Vordergrund. Wenn AD(H)S in der Kindheit nicht diagnostiziert wurde, so sind manchmal nach einem langen Leidensweg bereits weitere Probleme entstanden. AD(H)S wird dann häufig von Sekundärsymptomen und Folgeerkrankungen begleitet.

Zumeist sind dies Störungen des Selbstbildes und des Selbstwertgefühls, Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen. Ständige Misserfolge führen häufig dazu, dass Betroffene sich für „faul“ und „dumm“ halten. Unerkannte Betroffene werden durch ihr Verhalten oft ausgegrenzt. So entstehen nicht zuletzt auch soziale Phobien. Auch Essstörungen, Suchterkrankungen und Deliquenz treten vermehrt auf.

Durch die Erkenntnis, dass AD(H)S im Erwachsenenalter fortbestehen kann, werden heute mehr Erwachsene diagnostiziert und behandelt. Nach der übereinstimmenden Meinung vieler Neurologen und Psychologen sind jedoch heutzutage nicht mehr Kinder und Erwachsene betroffen als früher. AD(H)S tritt aber vermutlich auch durch die heutigen Lebensumstände verstärkt und offensichtlicher zu Tage, so dass sich die Grenze zwischen behandlungsbedürftigen und nicht behandlungsbedürftigen Betroffenen in den letzten Jahrzehnten in Richtung der behandlungsbedürftigen Betroffenen verschoben hat.

Ursache hierfür ist einerseits die weiter fortschreitende Vernetzung durch neue Medien (Fernsehen, Computer und Mobiltelefon) und die damit einhergehende Reizüberflutung durch ein Überangebot an Möglichkeiten für Information, Kommunikation und medialen Reizen, andererseits die erhöhten Anforderungen an jeden Einzelnen, durch die zunehmende Komplexität im privaten und beruflichen Leben. Ausserdem geben die heutigen Strukturen von Familie, Schule und Gesellschaft dem Einzelnen weniger Halt und Orientierung.

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