Asperger Merkmale

Wichtig ist hier hervorzuheben, dass auch ein autistischer Mensch in erster Linie ein Individuum ist und somit auch nicht alle Symptome der üblichen Katalogisierung aufweisen muss. Die Symptome, die AS ausmachen, finden sich auch in anderen Dispositionen wieder und erst das Zusammentreffen dieser, die vor allem die Diskrepanz innerhalb der sozialen Handlungsfähigkeit und der Kognition hervor heben, sind ein deutlicheres Zeichen für AS.

In den Auflistungen der üblichen Diagnoseverfahrensweisen sind in der Regel die Hauptmerkmale des autistischen Spektrums aufgelistet, zu beachten bleibt, dass diese Merkmale sowohl in ihrer Intensität, als auch in der Intensivität sehr unterschiedlich sein können. Weiterhin ist die Ausprägung auch von der jeweiligen Befindlichkeit des Menschen abhängig, die innerhalb eines kurzen Zeitraumes sehr variieren kann.

Die Symptome, die bei einer Diagnostik zu Grunde gelegt werden, wurden bereits erwähnt, von Bedeutung bleibt noch, hervorzuheben, dass bei einer autistischen Funktionsweise alle Wahrnehmungsbereiche in unterschiedlicher Intensität betroffen sein können.

Wahrnehmung

In allen Wahrnehmungsbereichen treten sowohl Unter-, als auch Überempfindlichkeiten und Probleme mit der Reizselektion und Reizverarbeitung mit dem möglichen Resultat einer Reizüberflutung (Overload) auf. Diese Phänomene sind nicht konstant, sondern abhängig von den einzelnen Situation, sowie der momentanen Befindlichkeit des einzelnen Menschen.

Wahrnehmungsbereiche:

Kommunikation / Sprache

Akustische Wahrnehmung:

Töne und Geräusche werden im Gehirn eines autistischen Menschen anders verarbeitet, die Lautstärke der einströmenden Geräusche unterscheidet sich nicht, so dass „unwichtige“ Töne nicht einfach ausgeblendet werden können. Laute und unruhige Orte sind für einen autistischen Menschen sehr belastend und anstrengend.

Optische Wahrnehmung:

Die visuelle Wahrnehmung kann über- oder unterempfindlich sein, so ist es möglich, dass keinerlei Reaktion beim Ansehen einer Sache erzeugt wird, andere Eindrücke wiederum können sehr detailliert wiedergeben werden, ohne jedoch ein Gesamtbild zu ergeben, es handelt sich um einzelne, wenn auch äußerst detaillierte, Bilder.

Geruchs- und Geschmackssinn:


Autistische Kinder sind oftmals sehr wählerische Esser, ihre Ernährung besteht nicht selten aus weniger als zehn Nahrungsmitteln, die sie ohne Probleme täglich wieder zu sich nehmen können. Es fällt ihnen sehr schwer, neue unbekannte Speisen auszuprobieren, dies ist allerdings auch nicht konstant der Fall, sondern auch abhängig von der individuellen Befindlichkeit. Auch die Wahrnehmung im Bezug auf heiße oder kalte Speisen kann sehr variieren, so wäre es nicht verwunderlich, wenn ein autistisches Kind den Geschmack von einem Eis zwar lecker finden würde, mit der Kälte der Speise aber nicht zurecht kommen würde.

Der Geruch mancher Nahrungsmittel kann für einen autistischen Menschen so unerträglich sein, dass nicht daran zu denken wäre, diese neue Speise probieren zu wollen.

Kommunikation / Sprache:

Im Sprachgebrauch finden sich beim Asperger Autisten sehr deutliche Auffälligkeiten, die nicht unbedingt ausschließlich negativ zu verstehen sind. Die Sprachentwicklung dieser Kinder ist nur selten verzögert und die Kinder sprechen schnell, wie kleine Erwachsene, und beeindrucken nicht selten mit einem enormen Wortschatz. Erst bei genauer Betrachtungsweise fällt auf, dass es sich um Monologe handelt, die mit Konversation im eigentlichen Sinne rein gar nichts zu tun haben. Das Kind kann stundenlang über ein selbst gewähltes Thema berichten, ist aber kaum oder nur sehr schwer in der Lage, eine Unterhaltung zu führen, da die Sprache nicht im Zusammenhang mit dem sozialen Kontext verwendet wird.

Oft haben autistische Kinder auch eine Geheimsprache, die sie nicht selten sogar in Wort und Schrift fließend beherrschen, sie kreieren völlig neue Wörter (Neologismen)

Sprachverständnis:

Ist der Redefluss bei einem selbstgewählten Thema kaum zu stoppen, sind die Antworten bei Themen, die von außen herangetragen werden als sehr wortkarg zu bezeichnen, so dass es unmöglich ist, ein Gespräch zu beginnen. So ist es schwierig, das Sprachverständnis eindeutig festzustellen.

Das autistische Kind ist kaum in der Lage die Hinweise wahrzunehmen, die ihm das Gegenüber durch die Körpersprache anbietet, so ist es im Normalfall so, dass der Zuhörer zwischendurch, zum Beispiel durch einfaches Kopfnicken dem Redner seine Aufmerksamkeit signalisiert, auch Zustimmung wird auf ähnliche Weise ausgedrückt. So lange innerhalb einer solchen Unterhaltung die Zustimmung des Zuhörers erfolgt, mag es nicht unbedingt so problematisch sein, anders ist dies in jedem Falle, sollte der Zuhörer nicht konform gehen, oder signalisieren wollen, der Zeitpunkt für eine solche Unterhaltung ist nicht der richtige. Auch diese, durch die Körpersprache gegebenen Hinweise werden nicht wahrgenommen.

Problematisch kann es auch werden, weil dem autistischen Kind die sozialen Konventionen nicht bewusst sind, so hat es keine Ahnung, was „man“ sagen darf und was nicht, es würde sich der Wahrheit immer sehr viel stärker verbunden fühlen, als den Gefühlen einer Person. Dies lernen nichtautistische Kinder einfach nebenbei mit dem Älterwerden und sind dann in der Lage, diese Balance in den Gesprächen, die sie führen aufrechtzuerhalten. Für den autistischen Menschen wird dies mit dem Älterwerden jedoch zunächst immer schwieriger, da die Konventionen auch viele unausgesprochene Regeln innehaben und die unausgesprochene Erwartung existiert, dass diese genau so eingehalten werden. So wird Kindern bis zu einem bestimmten Alter noch ein gewisses Verständnis bei Nichteinhaltung dieser Regeln entgegengebracht, ist diese Zeit vorbei, ist die Erwartungshaltung eine ganz klare.

Auch die notwendige Reihenfolge, im Bezug auf ein geführtes Gespräch, stellt für autistische Menschen oft ein Problem dar, sie haben Schwierigkeiten in Bezug auf den Anfang eines Gespräches, die Aufrechterhaltung und die Beendigung. So ist es denkbar, dass sie mit Bemerkungen „dazwischen platzen“ die ganz deutlich nicht zum Thema gehören. Hat der autistische Mensch das Gespräch übernommen, führt dies zu dem gutbekannten Monolog und es scheint keine Möglichkeit zu geben, diesen zu beenden. Die Hinweise können sogar recht deutlich sein und werden dennoch nicht wahrgenommen, so ist deutlich zu merken, das Kind redet und redet, hört aber nicht zu, da die verbale Sprache nicht situativ genutzt wird.

Innerhalb dieser Monologe ist es auch nicht selten, dass die Menschen, die ihn schon öfter gehört haben, genau wissen, was nun als nächstes gesagt wird. Ebenso genau wissen sie, dass es nur sehr schwer möglich ist, den Monolog zu unterbrechen, abzukürzen oder sogar abzubrechen.

Erzählungen autistischer Menschen fehlt oft die logische Reihenfolge, so dass der Zuhörer kaum eine Möglichkeit hat, Verständnis für das erzählte zu entwickeln, so dass der Zusammenhang kaum hergestellt werden kann.

Ein anderes Verstehen von Begriffen und Situationen:

Autistische Menschen können sich nur bedingt in andere Menschen hineinversetzen, es fällt ihnen schwer, „andere Rollen“ zu übernehmen, um den Blick der Betrachtung zu verändern und zu erlernen, wie andere Menschen denken könnten, damit fehlt ein sehr wichtiger Schritt innerhalb der sozialen und kommunikativen Entwicklung und erschwert die Generalisierung im Ganzen erheblich, die Folge sind Besonderheiten im Verstehen von Konventionen, sowohl der sprachlichen also auch der sozialen. Diese werden in starker Anlehnung an den jeweiligen Situationen erlernt, aber nicht zwingend übertragen.

Das Verständnis von Metaphern muss mühevoll erlernt werden, so wie zum Erlernen einer Fremdsprache, Vokabeln gelernt werden müssen. Das Verständnis von Bedeutungen im übertragenen Sinn muss ebenfalls sehr mühevoll erlernt werden und unterliegt keinerlei automatischen Lernprozessen. Begriffe werden genau in dem Zusammenhang verwendet, in dem dieser erlernt wurde, so bestehen Verständnisprobleme bei angewandter Ironie oder Mehrdeutigkeiten. Sie empfinden dies aber trotzdem immer als Fremdartig, da sie ihr Verhalten rational steuern müssen und nicht intuitiv das Richtige tun können.

Motorik:

Die Bewegungsabläufe wirken oftmals ungeschickt, oder „hölzern“. Probleme beim Balancieren können auch vorkommen. Autistische Menschen haben Schwierigkeiten damit, vorgemachte Bewegungsabläufe nachzuahmen, da sich aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmung, die Umgebungseindrücke anders darstellen und sie so die Zusammenhänge nicht erkennen können, so ist es für sie sehr schwer, sich zum Beispiel an genaue Schrittvorgaben bei Spielen zu halten. Sie brauchen für das Erlernen mehr Zeit, so dass daraus eine automatisierte Handlung erfolgen kann, ist dies erreicht, beherrschen sie die Abfolge eines Spiels sehr sicher und würden diese Regeln auch immer einhalten und befolgen.

Wichtig ist, immer wieder den Zusammenhang herzustellen, dass die „auffällige“ Motorik ihre Ursache in der veränderten Wahrnehmung dieses Menschen haben könnte und nichts damit zu hat, nicht zu wollen.

Emotionales / soziales Verhalten:

Das Verständnis eigener und fremder Gefühlsäußerungen ist stark eingeschränkt und somit ist es auch die Möglichkeit, darauf angemessen zu reagieren. Die soziale Orientierung, die Ausdrucks- und Handlungsfähigkeit, sowie das Bewusstsein der eigenen Identität, sind die Säulen, auf denen das soziale Miteinander in einer Gemeinschaft getragen wird. Diesen Lernprozess durchlaufen nichtautistische Kinder von ganz alleine und die Regeln werden in Rollenspielen erlernt und manifestiert. Dieser Lernprozess ist bei autistischen Menschen in besonderer Weise beeinflusst. Dies zeigt sich ganz deutlich innerhalb der Kommunikation und in der sozialen Interaktion mit anderen Menschen oder auch Dingen. So kann eine „Sache“ für einen autistischen Menschen eine ebenso enorme Bedeutung haben, wie für andere ein Mensch oder Tier. Er unterscheidet nicht zwischen personalen oder sachlichen Ebene.

Die Abrufbarkeit der Handlungsfähigkeit kann auch sehr enorme Diskrepanzen aufweisen. Werden Handlungsabläufe einerseits problemlos gezeigt, kann dies innerhalb einer Situation, in der der Handlungsablauf zwar gleich, der Zusammenhang aber ein anderer ist, gar nicht mehr möglich sein, die Fähigkeit abzurufen. Dies kann den Umgang mit autistischen Menschen sehr erschweren und hat in jedem Falle auch Auswirkung auf die soziale Interaktion. So kann es für die Umwelt zu äußerst schwer verständlichen emotionalen und sozialen Äußerungen kommen, die von starken Stimmungsschwankungen, wie Lachen, Weinen, Schreien oder scheinbar unerklärlichen Angst- und Panikreaktionen begleitet werden können.

Die grundliegende Annahme, Autisten hätten kein Gespür für unausgesprochene Erwartungen oder Stimmungen ist nicht richtig, im Gegenteil, nicht selten findet man eine enorm hohe Sensibilität für das unausgesprochene, bei gleichzeitiger Unfähigkeit innerhalb der Kommunikation oder Herstellung der notwendigen Transparenz. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, welcher Leidensdruck hieraus entstehen kann.

Kognition / Lernverhalten:

Die Leistungen einer autistischen Person können in bestimmten Bereichen auffällig hoch sein, während sie in anderen Bereichen enorme Differenzen aufweisen, diese Diskrepanz wird mit dem Älterwerden immer deutlicher und oftmals führt dies zu einer genaueren Diagnostik. Auch die sogenannten „Leistungsinseln“ sind nicht selten anzutreffen, allerdings führt die enorme Diskrepanz in Bezug auf das kognitive Leistungsvermögen und dem sozialen Verhalten nicht selten zu Fehleinschätzungen der betreffenden Person.

Autismus ist grundsätzlich nicht an ein bestimmtes Leistungsniveau gebunden, da auch autistische Personen in erster Linie Individuen sind. Das Leistungsvermögen ist aber sehr schwer einschätzbar, da sich der Antrieb und die Motivation autistischer Menschen grundliegend von denen, nichtautistischer unterscheiden, so ist es eine enorm hohe pädagogische Leistung bei einem autistischen Kind die Neugier, Neues lernen zu wollen, zu wecken. Das autistische Kind muss den Sinn der zu erlernenden Sache klar nachvollziehen können.

So käme bei der Aufforderung, es müsse nun mal lernen, die Schleife zu binden, die Ansage, es gäbe ja auch Schuhe mit Klettverschluss, so dass sich die Notwendigkeit, die Schleife lernen zu müssen nicht ergeben würde, damit wäre die Bereitschaft, die Schleife zu lernen nicht vorhanden und würde somit auch nicht erlernt werden. Sollte es nötig sein, bei einem selbst gewählten Handlungsablauf, die Schleife binden zu können, würde das autistische Kind dies vermutlich ohne große Probleme lernen. Der Antrieb ist aber nicht beeinflussbar und oftmals ist der Mechanismus, der diese Handlungsfähigkeit freisetzt, den autistischen Personen selber nicht bewusst und damit auch für sie selbst nicht beliebig abrufbar oder zu beeinflussen.

Weitere Schwierigkeiten besteht in der Unfähigkeit, zu kommunizieren, so würde eine kognitive Unter- oder Überforderung durch gewisse auffällige Verhaltensweisen kommuniziert werden, die Gefahr nicht verstanden zu werden ist enorm hoch, da hierfür bei dem Gegenüber grundliegende Kenntnisse in Bezug auf Autismus nötig wären, um die fehlende Transparenz herstellen und aufrechterhalten zu können. Auch die detaillierte Wahrnehmung mit gleichzeitig mangelnder Fähigkeit die Gesamtheit einer Gegebenheit herstellen zu können, erschwert die Lernprozesse erheblich, da sich autistische Menschen an anderen Merkmalen orientieren. Durch die fehlende Fähigkeit der Generalisierung kann eine inhaltliche Übertragung auf andere Situationen nicht stattfinden und somit ist es nicht möglich, die notwendige Transparenz aufzubauen.

Sind autistische Menschen auf der einen Seite enorm leicht ablenkbar, fällt es ihnen andererseits sehr schwer, ihre Aufmerksamkeit von selbstgewähltem zu lösen, um sie auf etwas Neues zu richten. Es ist oft von enormer Wichtigkeit für diese Menschen, begonnene Tätigkeiten erst zu beenden, bevor etwas anders angefangen werden kann. Auch die räumliche und zeitliche Orientierung unterscheidet sich gravierend von der Orientierung nichtautistischer Menschen.

Bei der Umsetzung geforderter Handlungen brauchen sie die ständige Überwachung und erneute Aufforderung, das geforderte zu erledigen, so entsteht der Eindruck, sie haben keinerlei Erinnerung an den Handlungsablauf und vergessen, was gefordert wurde. Zu beachten ist, dass sie immer wieder erneut Motivationshilfen und Anschub benötigen, um das geforderte erledigen zu können. Die Aufforderung, eine Handlung zu erledigen, sollte klar und übersichtlich erfolgen, eine logische Reihenfolge beinhalten und die oftmals eigene Logik dieser Menschen berücksichtigen. Weiter sollte beachtet werden, dass die gezeigte Unaufmerksamkeit und die Interesselosigkeit nur scheinbar als solches zu bezeichnen sind, da auch dies anderen Regeln unterliegt.

Es stellt eine hohe pädagogische Anforderung dar, einen autistischen Menschen zu beschulen und es ist zwingend notwendig, die Besonderheiten des jeweiligen Menschen zu berücksichtigen, so ist es äußerst hilfreich das Denken der jeweiligen Menschen zu verstehen und zu begreifen, wie er seine Welt erlebt. So müssen die pädagogischen  Maßnahmen im Bezug auf die Art und Weise, den Umfang und auch die Intensität den genauen Bedürfnissen des Kindes oder Jugendlichen angepasst werden. Dieser besondere Handlungsbedarf ergibt sich u.a. auch aus der differenzierten Wahrnehmung, sowie den veränderten Entwicklungsabläufen und den eigenen Lebensbedingungen des autistischen Menschen.

Verarbeitung der Wahrnehmung:

Die Verarbeitung von Informationen im Gehirn autistischer Menschen unterliegt anderen Abläufen, das Gehirn verarbeitet Sinnesreize (Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen) auf andere Weise. Die Informationsverarbeitung dieser Reize ist oft diffus und auch widersprüchlich, so kann jeder Sinneseindruck übermäßig oder kaum wahrgenommen werden, weiter ist es möglich, dass sich die Intensität oder auch die Art der Sinneswahrnehmung innerhalb eines Tages verändern, da dies sehr von der jeweiligen Befindlichkeit des jeweiligen Menschen abhängig ist.

Ebenso, wie diese fünf bekanntesten Sinnesreize sind die beiden weiteren Sinneswahrnehmungen (vestibulare- u. propriozeptive Sinn) bei autistischen Menschen anders. Der vestibulare Sinn steuert das Gleichgewichts- und Bewegungsempfinden des Körpers, während der propriozeptive Sinn für die räumliche Wahrnehmung des Körpers innerhalb eines Raumes verantwortlich ist.

Allerdings ist es nicht möglich, hier grundsätzlich geltende Regeln aufzustellen, da das Ausmaß der Andersartigkeit bei jedem Menschen unterschiedlich sein kann, es gilt immer zu beachten und zu respektieren, dass ein Mensch, egal, welche differenzierte Wahrnehmung er auch haben mag, in erster Linie immer ein Individuum darstellt.

Mögliche autistische Empfindungen:

(Wichtig: Dies ist nur ein Versuch, die veränderte Wahrnehmung darzustellen, es ergibt sich daraus keinerlei Anspruch darauf, authentisch zu sein)

Das Gehirn autistischer Menschen verarbeitet, aufgrund der autistischen Funktionsweise, Töne und Geräusche anders. Viele Erwachsene beschreiben, dass sie keine Hintergrundgeräusche wahrnehmen. Alle Höreindrücke strömen mit der gleichen Lautstärke auf sie ein, unbedeutende Geräusche können nicht einfach ausgeblendet und raus gefiltert werden, so ist es schwierig, die notwendige Aufmerksamkeit und Konzentration aufbringen zu können, da wichtiges von unwichtigem nicht automatisch getrennt wird.

Man stelle sich vor, man höre den Worten des Gesprächspartners zu und nehme gleichzeitig das Gebläse des Kühlschranks, die Gespräche anderer im Raum und ein Flugzeug über dem Haus wahr. Es würde schwierig sein, zwischen wichtigen und unwichtigen Geräuschen zu unterscheiden. Was wir als normale Geräuschkulisse empfinden oder als unwesentlich ausblenden, um uns auf ein Gespräch zu konzentrieren, kann von einem autistischen Zuhörer als überwältigend und unerträglich empfunden werden.

Einige Geräusche können körperliche Schmerzen verursachen. Manchmal sind es laute Geräusche, aber oftmals eher alltägliche Klänge, die andere gar nicht als unangenehm registrieren (Beispiel Klingelton Handy) Aber gerade diese Geräuschkulisse, die von anderen nicht wahrgenommen wird, kann bei autistischen Menschen oft Angst verursachen. Manchmal scheinen diese Geräusche für sie erschreckend zu sein, wenn sie plötzlich und unerwartet auftreten.

Die visuelle Wahrnehmung ist teilweise überempfindlich.  Zum Teil kommt überhaupt keine Reaktion, wenn Dinge angeschaut werden und zum Teil können Eindrücke sehr detailliert wahrgenommen werden.

Man kann sich vorstellen, einen Raum in all seinen Einzelheiten durch ein Fernrohr zu betrachten. Dabei treten Objekte deutlicher hervor, aber es ist schwerer zu erkennen, wie diese Einzelheiten zu einander gehören oder im Raum zusammen angeordnet sind. Dies würde in etwa dem entsprechen, wie einige autistische Menschen, ihre Umwelt wahrnehmen. Sie mögen unendlich viele Details erkennen, können daraus aber nicht unbedingt ein Gesamtbild zusammensetzen.

Im allgemeinen Umgang kann  festgestellt werden, dass es häufig zu Situationen kommt, in denen deutlich zu merken ist, dass Gedanken und Wahrnehmungen des Autisten und fremde, vom Autisten nicht oder nur schwer zu trennen sind. So, als würde der Autist glauben, dass seine Mitmenschen die gleichen Gedanken und Wahrnehmungen haben und nicht eigenständige, von ihm selber unabhängige. Dies ist vor allem bei Kindern so, erst mit dem Älterwerden lernen sie, andere Menschen haben eigene Gedanken und Wahrnehmung.

Es ist allerdings äußerst wichtig zu beachten, dass diese Menschen in vielen Bereichen so sind, wie nichtautistische, d.h. sie haben zum Beispiel ebenso das Bedürfnis, Kontakte zu haben, müssen nur auf andere Weise erlernen diese herzustellen und aufrechtzuerhalten. Es ist nicht richtig, dass die Isolation selbst gewählt wurde, sondern es muss mühevoll erlernt werden, dass der Kontakt zu anderen Menschen positive Gefühle mit sich bringen kann. Bei Beachtung der besonderen Hintergründe, autistischer Menschen kann man sich vorstellen, wie oft sie das Gefühl haben, selber nicht zu verstehen, aber vor allem selber nicht verstanden zu werden. So sind sie auf verständnisvolle und feinfühlige Mitmenschen angewiesen, die ihnen begleitend innerhalb der Alltagssituationen zur Seite stehen. Dies setzt ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein voraus, da vor allem autistische Kinder sehr leicht manipulierbar sind. Erlangt man die Loyalität eines autistischen Menschen, ist diese uneingeschränkt und es Bedarf wirklich massiver Vertrauensbrüche, um diese wieder zu verlieren, dies ist dann allerdings ebenso endgültig.

Vielen autistischen Menschen ist es nur möglich, einen Kontakt aufrechtzuerhalten, wenn der regelmäßige Bezug bestehen bleibt, es ist ihnen nicht möglich, schnell umzuschalten und einer Person wieder Bedeutung zuzumessen, wenn diese für längere Zeit keinen Anteil im Leben des autistischen Menschen hatte. Objektbezogene Kontakte sind keine Seltenheit, denn auch Kommunikation wird zum reinen Austausch von Informationen genutzt. Das Interesse ist aber grundliegend ehrlich und unterliegt keiner Form der Berechnung.

Im Umgang mit autistischen Menschen ist zu berücksichtigen, dass sie aufgrund der intensiven Wahrnehmung ein erhöhtes Bedürfnis nach Ruhe haben, es ist also wichtig, ihnen Ruhephasen zu gewähren.

Klar erkennbare Strukturen und geordnete Tagesabläufe sind eine sinnvolle Hilfe bei der Orientierung, ebenso wie die direkte und klare Formulierung bei der genutzten Sprache, es ist überaus sinnvoll, genaue Vorgaben zu geben, welche Handlungen erwartet werden. Diese Erläuterungen sollten bekannte und unbekannte Regeln gleichermaßen behandeln, da nicht sicher davon auszugehen ist, dass eine geforderte Handlung schon eine automatisierte ist. Auch die oft fehlende Generalisierungsfähigkeit sollte ständige Beachtung erhalten.

Aussagen zur Wahrnehmung:

„Dein verändertes Aussehen am Montag war schlimm für mich. Da meine Augen mir erst nach einer Weile den ganzen Menschen zeigen, weil die einzelnen Bilder, die zum Teil nur Bruchstücke sind, sich zusammenfügen müssen, habe ich eine große Irritation erlebt. Es passte nichts mehr zusammen. Ich habe ja nichts dagegen, dass du jemand sein möchtest, der nicht so aussieht wie alle anderen, aber für mein Problem mit der visuellen Wahrnehmung ist das schwer zu ertragen.“

(Dietmar Zöller, 13.9.97 zitiert in: BUNDESVERBAND Hilfe für das autistische Kind: Mit Autismus leben – Kommunikation und Kooperation, Tagungsbericht der 9. Bundestagung 1998)

„MEINE VISUELLE WAHRNEHMUNG IST MANCHMAL GANZ GUT: MANCHMAL SEHE ICH DEN BODEN VERZERRT: ES HÄNGT VOM BLUTFLUSS IM KOPF AB: MIT GENAUER ANWEISUNG KENNE ICH MIT DER ZEIT EINIGE GANZ GUTE TRICKS TROTZDEM ZU GEHEN: ICH DENKE

JETZT NACH WIE ICH BERECHNUNGEN MACHEN KANN, DIE STÖRUNGEN ZU BESEITIGEN:

ICH BIN LEIDER NOCH NICHT ZU EINER EINHEITLICHEN LÖSUNG GEKOMMEN. ... AN ANDEREN TAGEN KANN ICH DEN BODEN DANN WIEDER KLAR SEHEN ABER TROTZDEM NICHT GEHEN, WEIL ICH MEINE FÜSSE NICHT SPÜRE.

DIE SINNE HÄNGEN ALLE ZUSAMMEN. MANCHMAL KANN ICH GAR NICHT SAGEN WELCHER SINN GESTÖRT IST. ICH DENKE MEIN GANZES SINNESSYSTEM IST AUSSER KONTROLLE GERATEN. ICH RIECHE SAGENHAFT ANDERS ALS ANDERE MENSCHEN. ICH DENKE ICH

RIECHE ZU GUT. MANCHE GERÜCHE BEREITEN MIR ANGST, WEIL SIE ZU SCHMERZHAFT SIND. DANN KANN ICH BESTIMMTE DINGE NICHT ESSEN. VOR FREMDEN GERÜCHEN HABE ICH AM MEISTEN ANGST. ...SCHARFE GERÜCHE SIND MIR DAGEGEN SEHR ANGENEHM.

ICH ESSE AUCH SEHR GERNE SCHARFE DINGE, DA ICH DANN MEINEN MUND BESSER SPÜREN KANN.

MEIN GESCHMACK IST AUCH ANDERS: SONST WÜRDEN MIR DIE SCHARFEN SACHEN NICHT SCHMECKEN. ICH ESSE GERNE ZWIEBELN.

ICH BIN MANCHMAL TEMPERATUREMPFINDLICH. ICH FRIERE IM WINTER IMMER SEHR.

MANCHMAL KANN ICH ABER KEINE HITZE SPÜREN. ALS ICH EIN KLEINER JUNGE WAR FASSTE ICH IMMER AUF DIE HEISSE HERDPLATTE, OHNE ZU SPÜREN, DASS SIE HEISS IST.

ICH KANNTE KEINEN BEGRIFF FÜR HITZE. ICH KANNTE DIE BEDEUTUNG DIESES WORTES GAR NICHT. IN DER BADEWANNE WAR DAS GANZ ANDERS. DORT LERNTE ICH DANN AUCH DEN BEGRIFF HEISS MIT DER HEISSEN HERDPLATTE IN VERBINDUNG ZU BRINGEN.“

(Albrecht Leipert, 4.10.97).

„Dass ich ein äußeres Körpergefühl hatte, erlebte ich, indem ich sah und hörte, wo mein Körper sich befand. Mein inneres Körpergefühl war, wie alles andere, meistens mono. Wenn ich mein Bein berührte, spürte ich das entweder an der Hand oder an meinem Bein, nicht aber an beiden gleichzeitig. Ich nahm den ganzen Körper in Stücken wahr. Ich war ein Arm oder ein Bein oder eine Nase. Manchmal war ein Teil sehr deutlich da, doch ein Teil, mit dem er verbunden war, fühlte sich so hölzern an wie ein Tischbein und genauso leblos. Der einzige Unterschied bestand in Konsistenz und Temperatur.“

(Donna Williams, Wenn du mich liebst, bleibst du mir fern, S. 320 zitiert in: BUNDESVERBAND Hilfe für das autistische Kind: Mit Autismus leben – Kommunikation und Kooperation, Tagungsbericht der 9. Bundestagung 1998)

Aussagen zu Sprache / Kommunikation:

„Mit ungefähr zehn Jahren hatte ich angefangen hin- und wieder Bruchstücke direkt mit Bedeutung zu hören. Ich verfiel auf die Strategie, mir die Sätze der Leute innerlich vorzusagen, und stellte fest, dass ich auf diese Weise die Bedeutung eines ganzen Satzes herausbekommen konnte. Mit den Jahren entwickelte ich diese Fähigkeit soweit, dass ich mit kaum wahrnehmbarer Verzögerung mit meinem Gegenüber sprechen konnte. Ich versuchte immer, mir vorzustellen, was ich gemeint hätte, wenn ich jene Worte aus meinen eigenen Gedanken abgeleitet hätte. Ich versuchte, mir von den ankommenden Wörtern Bilder zu machen, als wären es meine eigenen, eine Art von umgekehrtem Denken.“

(Donna Williams, Wenn du mich liebst, bleibst du mir fern, S. 139 zitiert in: BUNDESVERBAND Hilfe für das autistische Kind: Mit Autismus leben – Kommunikation und Kooperation, Tagungsbericht der 9. Bundestagung 1998)

Aussagen zur Motorik:

„ ... Es gibt also Bewegungsabläufe, die ich ganz gut kontrollieren kann, vorausgesetzt, dass ich nicht unter Druck gesetzt werde. Wenn ich etwas auf Befehl tun muss, dann versage ich kläglich, weil ich soviel Zeit brauche, das was ich tun soll, zu planen, d.h. Ich muss viel zu lange nachdenken, bevor ich agieren kann. Wenn ich dann soweit bin, haben die Leute, die etwas von mir wollten, längst aufgegeben und sich abgewandt. Wenn ich spontan etwas tue, sieht das anders aus. Dann kann ich auch schnell sein.“

(Dietmar Zöller, in: Autistische Menschen verstehen lernen S. 27. Mit Beiträgen von Betroffenen. Verein zur Förderung von autistisch Behinderten e. V. Stuttgart 1996).

Aussagen zu Sozialverhalten / Emotionen:

„Am schlimmsten ist das mit dem Lachen. Ich habe oft so einen furchtbaren Zwang zu lachen, und das tue ich dann auch, weil es gar nicht anders geht. Das ist genauso wie mit dem Salzwasser-aus-den-Augen, nur andersherum. Die Leute reagieren dann blöd. Aber ich kann so schön schallend lachen, egal ob es in meiner Wohnung ist, im Schwimmbad, auf einer Versammlung oder wenn ich alleine an meinem Arbeitsplatz sitze. Manchmal lache ich über ein lustiges Erlebnis, das Jahre zurückliegt und mir plötzlich wieder einfällt oder über einen lustigen Gedanken, ein spezielles Lachwort oder etwas Komisches in meiner Umgebung, was auf die anderen gar nicht lustig wirkt. Manchmal lache ich auch nur so, weil ich mich lustig fühle, vor allem nach dem Trinken von Cola oder süßem Kaffee. Die anderen dürfen ja auch lachen, wenn ich nicht weiß warum!“

(Susanne Schäfer, Sterne, Äpfel und rundes Glas, S. 55).

„Ab der 5. Klasse hatte ich gar keine Kontakte mehr. Manchmal war ich in eine Schlägerei verwickelt; das schickte sich aber nicht für ein Mädchen. Kein körperlicher Schmerz hätte mich dazu gebracht, Salzwasser aus den Augen zu verlieren, aber es kam ganz schnell, wenn ich nicht verstand, warum die anderen über mich lachten ....

Ansonsten hatte ich ein ruhiges einsames Leben für mich alleine. Ich hatte genug anderes zu tun, als mich um Kontakte zu kümmern. Nicht, dass ich alleine war, war schlimm. Der Horror war, wegen dieses Paria-Daseins verfolgt zu werden und angedroht zu bekommen, zum Psychiater geschleppt zu werden.“

(Susanne Schäfer, Sterne, Äpfel und rundes Glas, S. 60).

„Sommer 83: Ferien von den Menschen! Immer, wenn wir nach Dänemark fahren, bin ich die Leute so leid. Die Mitschüler, Nachbarn, die aufdringlichen Freunde Saakis und die Lehrer. Während den Ferien hat man den größten Abstand. Diesen Sommer bekam ich nur eine Postkarte von Oma Bubi. Egal. Ich brauche keine Menschen.“

(Susanne Schäfer, Sterne, Äpfel und rundes Glas, S. 72).

Aussagen zu Kognition / Lernverhalten:

„Mir ist klar, dass ich fast meine ganze Kindheit hindurch meine Mutter einfach nicht hörte. Ihre Bemühungen, geduldig und lieb zu mir zu sein, drangen einfach nicht bis zu mir durch. Ich schenkte ihren Wörtern genauso wenig Aufmerksamkeit wie dem Geräusch eines Wagens, der die Straße entlang fuhr. Ihre Stimme war lediglich Hintergrundgeräusch. Nur wenn sie anfing zu brüllen oder zu schreien, drang sie zu mir durch und holte mich für kurze Zeit aus meinem Schneckenhaus.“

(Sean Barron, Hört mich denn niemand? S. 125 zitiert in: BUNDESVERBAND Hilfe für das autistische Kind: Mit Autismus leben – Kommunikation und Kooperation, Tagungsbericht der 9. Bundestagung 1998).

Typische Schwierigkeiten und besondere Fähigkeiten

(Aus: Tony Attwood –„Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom):

Dr. Asperger beschrieb das Syndrom:

Autismus - Spektrum und Stärken

Folgende Charakterzüge sind eindeutig als Stärken zu bezeichnen:

Weiterführende Informationen:

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