ADHS Kinder und Empathie

Ich vertrete die These, dass Kinder mit AD(H)S grundsätzlich über ein hohes emapthisches Empfinden verfügen. In diesem Zusammenhang erzählte ich einmal von einer Mutter, die mit aller Macht versuchte, ihre Probleme, Ängste und auch ihre Trauer vor ihrem Sohn zu verstecken. An dieser Stelle möchte ich einige Teile dieses Berichts wiedergeben: Eines Tages besuchte mich eine 28-jährige Mutter, und wir vereinbarten ein Coaching, Ihr Sohn war dabei, und ich hatte die Chance ihn zu erleben. Er war ein sehr aufgewecktes Kind mit klaren Tendenzen zur Hyperaktivität. Ich mochte Ihn sehr, da er mich an mich selbst erinnerte.

 

Das Faszinierende an diesem Kind war, dass er trotz seiner erst vier Jahre alles, was seine Mutter bewegte, extrem wahrzunehmen schien. Es kam mir vor, als wenn dieses Kind empathisch alle Emotionen und Gefühlsregungen der Mutter in sich aufnahm. Er war aufgrund dieser Situation auch sehr labil und man merkte, dass er mit vier Jahren schon ein großes Defizit im Selbstwertgefühl hatte.

 

An einem Morgen saßen wir am Tisch und ich fragte den Jungen ob er denn mitbekomme, wie es seiner Mutter gehe. Er sagte sofort: „Ja, sie ist immer traurig.“ Ich fragte ihn, warum er denn glaube, dass seine Mutter immer so traurig sei. Auch darauf wusste er sofort eine Antwort: „Wegen mir.“ Ich fragte ihn erstaunt wie er denn darauf komme. Er meinte: „Na ja, ich mache immer soviel falsch und vergesse soviel. Ich bin doof und habe wohl ein Loch im Kopf.“ Für die Mutter war das ein sehr harter Schlag, und sie wollte den Raum  erst einmal verlassen. Ich sagte dem Jungen, dass er sich da täuschen würde und das seine Mutter nicht wegen ihm traurig sei. Ganz im Gegenteil, sie würde ihn sehr lieben und nur sein Bestes für ihn wollen. Der Junge schaute mich an und hatte Schwierigkeiten, mir zu glauben. In diesem Moment kam die Mutter zurück in den Raum und setze sich wieder an den Tisch.

Ich sagte dem Sohn noch einmal in Anwesenheit der Mutter, dass er sich da täusche und seine Mutter niemals wegen Ihm traurig sei. Er drehte sich sofort zur Mutter und fragte mit ganz klaren Worten, warum sie immer so traurig sei. Die Mutter war erst etwas verwirrt, aber gab ihrem Sohn Antworten, mit denen er sogar etwas Anfangen konnte. Es war ein sehr schönes Gefühl für mich, da sich Aufgrund dieser Unterhaltung eine sehr große Sorge bei beiden Personen gelöst hatte.

Das Coaching verlief nach diesem Gespräch sehr harmonisch und war sehr effektiv. Das Verständnis dieses 4-jährigen Kindes hat mich ehrlich gesagt übermannt. Plötzlich war es möglich Absprachen zu treffen, die das Zusammenleben der beiden vereinfachte. Sicher trug das Coaching auch dazu bei, aber das plötzliche Verständnis zwischen Sohn und Mutter, die bisher gedacht hat, ihr Sohn bemerke ihre Traurigkeit nicht so sehr, war anders und gelöster.

Auch an diesem Beispiel zeigt es sich wieder, dass die problematische Kommunikation bei AD(H)S zu einem Großteil auf Missverständnissen beruht, die durch Unwissenheit entstehen, besonders was die emotionale Intelligenz betrifft, wird diese doch immer wieder unterschätzt.

Auch wenn Kinder nicht die richtigen Worte finden, so erleben sie doch Emotionen und wie bei jedem AD(H)Sler vermutlich ausgeprägter als bei nicht AD(H)Slern. Wenn wir nun unser Hauptaugenmerk auf die Kommunikation legen und schauen, welche Probleme dort entstehen, werden wir einheitlich feststellen, dass es dort im Grunde zwei Muster gibt, die bei uns und unseren Kinder Verletzungen und dadurch auch gewisse Verhaltensweisen erklären könnten.

Das erste ist die Tatsache, dass wir instinktiv von uns auf andere schließen und davon ausgehen, dass das, was uns gut tut, auch für unser Gegenüber richtig ist. Dort liegt meiner Meinung nach ein Trugschluss. Bleiben wir bei der Annahme, dass AD(H)S-Kinder eine höhere empathische Auffassung haben gepaart mit der Tatsache, dass sie sich durch ihr AD(H)S selbst als unzulänglich empfinden und gehen wir davon aus, dass Kinder nicht in der Lage sind, ihre eigenen Gefühle zu reflektieren, dann beziehen sie alle emotionalen Informationen, die sie erhalten, auf sich persönlich. Daraus folgt, selbst wenn eine Mutter aufgrund anderer Tatsachen traurig ist, wird das Kind dies auf sein Verhalten projizieren und sich dafür die Schuld geben.

Wie bei der beschriebenen Mutter gehen wir davon aus, dass unsere Kinder noch nicht so weit sind, um diese Emotionen zu verstehen. Dies bedeutet, dass wir hier die Empfindungen der Kinder unterschätzen, und ihnen dadurch keine Hilfestellung zukommen lassen können. Die Reaktionen der Kinder sind in diesem Falle auch nicht erklärbar und werden eventuell als Trotz angesehen. Beziehen sie das auf ein hypoaktives Kind, welches noch größere Schwierigkeit hat, eigene Emotionen auszudrücken.

Gerade bei Kindern habe ich die Erfahrung gemacht, dass Klärungen gewisser Umstände durchaus möglich sind, da die Kinder aufgrund ihrer emotionalen Sensibilität  Unstimmigkeiten in der Regel schon viel früher wahrnehmen, als es ihr Alter erahnen lässt.  
Klärungen können hier Schuldgefühle verhindern, die die Kinder zu Handlungen veranlassen könnten, die für die Eltern und Erzieher dann oft nur noch schwer nachvollziehbar sind.

Eine Hilfe zur Kommunikation kann bei solch klärenden Gesprächen mit kleineren Kindern der Einsatz von spielerischen Mitteln, wie z.B. Zeichnungen, Bilder, Puppen oder Ähnliches sein.

Der zweite und mit Sicherheit größere Aspekt ist das Unwissen über diese Menschen und über das, was bei ihnen das AD(H)S bewirkt. Eine nur wissenschaftlich und medizinisch dargestellte Definition reicht nicht aus, um die Seele dieser Menschen zu verstehen. Sie sind anders aber nicht schlecht.