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PTBS/Borderline
Chronifizierte Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung
Autor Sebastian Breitschafter für Wikipedia und TOKOL e.V.
Bei leichteren Formen dieses Krankheitsbildes gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Sie werden je nach Art und nach dem bei der Diagnose ersichtlichen Kontext separat als PTBS, Dissoziative Störung, oder häufig als Borderline Persönlichkeitsstörung benannt.
Bei schwereren Graden wird jedoch ersichtlich, dass es sich mit Ausnahme der einfachen PTBS um dieselbe, von komplexen Mustern geprägte Grundschädigung handelt. Die genannten Krankheitsbilder lassen sich dann nicht mehr voneinander abgrenzen. Sie haben den selben Ursachenkreis (Traumatisierungen) und die selben möglichen Symptome. Die Symptome treten oft erst Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte nach traumatischen Erlebnissen auf. Es lässt sich nicht vorhersehen, welche Symptome wann und wie ausgeprägt auftreten werden.
Die wichtigsten Folgen sind: Dissoziationen (Bewusstseinsverdrängungen- und Abspaltungen), damit im Zusammenhang stehend Identitätsstörungen und Selbstverletzendes Verhalten (SVV) und Autoagressionen, Schuldgefühle, Angststörungen, Triggererlebnisse (durch bestimmte Dinge ausgelöstes Wiedererleben von Gefühlen ähnlich denen des Traumaereignisses), Intrusionen (quälende Gedanken und Erinnerungen), starke Schlaflosigkeit, permanent bestehende quälende Gefühlszustände (auch dadurch Selbstverletzungen als Gegengewicht), hohe Emotionalität, extreme emotionale Sensibilität und Schwierigkeiten der Gefühlsverarbeitung (dadurch Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen), Endogene Depressionen, teilweiser Realitätsverlust in bestimmten Situationen und bezugsgerichtete Realitätsverdrängungen über längere Zeit.
Nicht nur die Symptome und der Krankheitsverlauf, sondern auch die erlebten traumatischen Ereignisse der Betroffenen können sehr unterschiedlich sein. Es hängt auch von der Veranlagung von Menschen ab, ob und wie Erlebnisse traumatisch wirken. Wichtig ist hierbei, dass vor allem im Kindesalter traumatische Erlebnisse stattfinden können, die von den Eltern nicht als solche erkannt werden. Das kann bei entsprechender Veranlagung auch das Verlorengehen im Kaufhaus sein, ständige Konflikte im Elternhaus, Frühgeburt oder längere Lebensabschnitte mit traumatisierenden Wirkungen.
Bei den Betroffenen ist immer eine Dauerbelastung gegeben, auch die neuronale Gehirnstruktur ist nachhaltig verändert. Bei richtiger Behandlung kann den Patienten allerdings geholfen werden. Alle von ihnen benötigen Hilfe. Bei falscher Behandlung kann sich das Krankheitsbild jedoch deutlich verstärken. Ebenso bei wiederholten Traumaereignissen, die wegen der erhöhten Sensibilität nicht selten vorkommen.
Der Begriff stammt aus der Traumaforschung. Chronifiziert-komplexe Posttraumatische Belastungsstörungen sind Posttraumatische Belastungsstörungen, die auf den Kern der Persönlichkeit wirken. Der Unterschied liegt darin, dass die traumatischen Erlebnisse nicht von außerhalb des persönlichen sozialen Sicherheitssystems kommend erlebt werden, sondern von innerhalb. Z.B. bei Sexual- oder Gewaltopfern sind die Täter meist keine Fremden, die wieder verschwinden, sondern primäre Bezugspersonen.[1](S.96) Von normaler chronifizierter PTBS Betroffene entwickeln gewöhnlich ausgeprägte lebenslange Angststrukturen, Intrusionen und weitere Symptome. Bei chronifiziert-komplexer PTBS entstehen zusätzlich Persönlichkeitsstörungen und Dissoziationen. Von Fachleuten wird dies auch als "Disorder of Extreme Stress, Not Otherwise Specified" bezeichnet. Unter dieser Bezeichnung, deren Abkürzung DESNOS ist, ist die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung im Diagnosehandbuch der American Psychiatric Association vertreten. Diese Bezeichnung ist jedoch veraltet und wird kaum mehr verwendet. Sie soll in der nächsten Fassung des DSM als "Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung" aufgenommen werden. [2](S.48)
Obwohl die einfache PTBS von der chronifiziert-komplexen PTBS zunächst abgegrenzt wird, ist zu erwähnen, dass aus einer PTBS wegen der erhöhten Sensibilität durch Retraumatisierung leicht eine chronifiziert-komplexe PTBS entstehen kann.[2]
Die Traumaforschung ist sich heute sicher, dass insbesondere die Borderline Persönlichkeitsstörung, aber höchstwahrscheinlich auch weitere Persönlichkeitsstörungen Teil dieses Krankheitsbildes sind.[1](S.94)[2](S.50)(S.65)[3](S.166)[4](S.31(S.145) Für die einzelnen Persönlichkeitsstörungen gibt es allerdings nach wie vor die einzelnen Klassifikationen und diagnostischen Kriterien. Auffallend ist, dass Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Kriterien für mehrere, verschiedene Persönlichkeitsstörungen erfüllen, bis zu sieben pro Patient und über alle Klassifizierungscluster verteilt.[1](S.25) Auch Dissoziative Störungen sind hier meist besonders ausgeprägt.[5](S.163)[1]
Es gibt verschiedene Formen und Schweregrade von Dissoziationen, sie werden heute jedoch alle als Teil einer PTBS gesehen. Speziell Multiple Persönlichkeiten weisen frühe und schwere Traumatisierungen auf.[1](S.97) Wenn Patienten mit Multipler Persönlichkeit behandelt werden und die widersprüchlichen Persönlichkeitsteile wieder zu einem Bewusstsein integriert werden, durchlaufen sie erfahrungsgemäß das Durchgangsstadium einer Borderline Persönlichkeit. Dabei wird auch das Stadium der Borderline Persönlichkeit als äußerst unangenehm erlebt und funktioniert nicht auf Dauer.[1]
Im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum war die Erforschung Dissoziativer Störungen im Nordamerikanischen Raum in den letzten zwanzig Jahren eines der wichtigsten Themen in der Psychiatrie und in der Psychotherapie. Dabei wurde die Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeit) als schwerster Fall dieser Krankheitsformen am genauesten untersucht. Danach wird sie als komplexe Posttraumatische Störung eingeordnet. Im Zentrum stehen dabei frühkindliche, meist sexuelle Traumatisierungen.[6](S.127)
Der Begriff "Trauma" im Sinne der chronifiziert-komplexen PTBS meint nicht nur einmalige Schreckenserlebnisse, sondern auch Traumatisierungen über längere Zeiträume oder Lebensabschnitte.[2] Dies ist wichtig zu erwähnen, da die unterschiedliche Verwendung dieses Begriffes häufig Missverständnisse und Kontroversen zur Folge hat.
Einordnung für Fachfremde
In der Psychologie unterscheidet man grundlegend zwei Gebiete: Die Neurotischen Störungen und die Psychotischen Störungen. Neurotische Störungen (Depressionen, Zwangsstörungen, Angststörungen etc.) sind vornehmlich Beeinträchtigungen der Gefühle und des Handelns, bei denen der Realitätssinn erhalten bleibt. Bei Psychotischen Störungen (Schizophrenie, Manie, Wahn) geht die Wahrnehmung der Realität verloren. Dabei werden auch die Sinneswahrnehmungen von außen verfälscht. Halluzinationen sowie nicht vorhandene Personen und Stimmen werden wahrgenommen.
Es gibt noch einen dritten Bereich, den man über lange Zeit zwischen die Neurotischen und Psychotischen Störungen eingeordnet hat und heute teilweise noch so einordnet. Die erste Bezeichnung für Störungen in diesem Bereich war "Borderline-Störung", welche zusammen mit anderen Störungsbildern die Bezeichnung "Hysterie" abgelöst hat. "Borderline" (engl. Grenze) bezieht sich auf die Grenze zwischen Neurotischen und Psychotischen Störungen.
Inzwischen gibt es für den dritten Bereich ein weiteres, relativ junges Gebiet in der Psychologie. Es befasst sich mit den Dissoziativen Störungen. Das entsprechende Fachgebiet innerhalb der Psychologie ist die Psychotraumatologie. Dissoziative Störungen gelten in der Psychotraumatologie als gleichbedeutend mit komplexen Posttraumatischen Störungen. Dissoziative Störungen sind teilweise oder völlige Abspaltungen des Bewusstseins mit weitreichenden Folgebelastungen. Traumaforscher betonen klar, das es sich dabei nicht wirklich um Psychotische Störungen bzw. Realitätsverlust handelt, obwohl es von außen manchmal den Anschein erweckt. Etwaiges Hören von Stimmen oder andere Einbildungen bei Patienten werden im Gegensatz zu Psychotischen Störungen nur von innerhalb der eigenen Person wahrgenommen. Der grundsätzliche Realitätssinn bleibt erhalten.
Ursachen
Übersicht über mögliche traumatische Erlebnisse
Allgemein
- Traumatischer Stress: Starke Gefühle von Angst, Todesangst, Hilflosigkeit, Einsamkeit, Verzweiflung und auch körperliche Schmerzen[3] [4]
- Einmalige Schreckenserlebnisse oder längere Zeiträume mit oben genannten Gefühlen[3][4]
Speziell
Folter, Gewalt, Vergewaltigung (häufig), längerer sexueller Mißbrauch (sehr Häufig), Verlust einer Bezugsperson, schwere Krankheit (z.B. Krebs), schwere Gesundheitsschädigungen (mit der Folge von zerbrochenem Leben), Aufwachen während einer OP (kommt bei Operationen oft vor, ist aber nachher nicht erinnerbar) und andere Traumatisierung durch medizinische Eingriffe, Krieg, Vertreibung, Migration (Heimatverlust), Naturkatastrophen jeder Art, Unfälle, das Miterleben von Gewalt, Sekundäre Traumatisierung: Die Konfrontation mit schweren Traumatisierungen als Helfer (z.B. Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte)[3][4]
Anmerkungen zu den Ursachen
- das genannte Ereignis muss eine Traumatisierung zur Folge haben, aber es kann. Grundsätzlich ist jeder Mensch traumatisierbar.
- Ob und wie Ereignisse traumatisierend wirken, variiert aufgrund der unterschiedlichen natürlichen Veranlagungen von Menschen. Besonders sensibel und risikobehaftet sind beispielsweise Menschen mit ausgeprägter AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizitstörung / Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung), sowohl was die Empfindlichkeit betrifft als auch die Wahrscheinlichkeit von komplex-traumatisierenden Situationen.[2][4] [5]
- PTBS ist im Gegensinn zur deutschen Bezeichnung eigentlich keine Belastungsstörung, sondern eine Stressstörung (Traumatischer Stress). Dagegen gibt die englische Bezeichnung "Post Traumatic Stress Disorder" bzw. "PTSD" diesen Zusammenhang richtig wieder.
- Einige Wissenschaftler (z.B. Joel Paris) unterscheiden hier zwischen einmaligen Traumata und längeren Lebensabschnitten mit traumatisierender Wirkung, die vor allem bei Menschen mit empfindlicherer Veranlagung auftreten. Dies kann die unterschiedlichen Ausprägungen der Krankheit begründen. Z.B. Länger andauernde Konflikte im Elternhaus oder längere Mißhandlung können eine Traumastörung in der Richtung prägen, im sozialen Umgang besonders belastet zu sein. [5] Diese länger andauernden Traumatisierungen bringen auch eine höhere Wahrscheinlichkeit mit sich, dass sie als innerhalb des persönlichen sozialen Sicherheitssystems kommend erlebt werden.
- Da bei traumatischen Erlebnissen im Gehirn andere neuronale Verarbeitungen erfolgen, fehlt bei einmaligen Traumaereignissen oft die Erinnerung. Dies kann auch (aber muß nicht) im Zusammenhang stehen mit dem Dissoziativen Verdrängungseffekt. [2]
- Bereits vorhandene Traumatisierung bedeutet deutlich erhöhte Sensibilität für eine erneute Traumatisierung. Dies passiert relativ häufig und verstärkt das Krankheitsbild stark.[1]
- Selbstverständlich sind auch andere Ereignisse möglich, die traumatisierend wirken können.
Typische traumatische Erlebnisse im Kindesalter
Hohes Fieber, beinahes Ertrinken, sexueller Missbrauch, häufige Spannungen und Konflikte im Elternhaus, Angriff eines Tieres (z.B. Hund), Unfälle (z.B. mit Fahrrad), Stürze (z.B. von einer Treppe), Verlorengehen in Kaufhäusern, allein gelassen werden (z.B. Krankenhausaufenthalt), Verlust einer Bezugsperson, Vernachlässigung (kann nachweislich bleibende neuronale Schäden verursachen), medizinische Eingriffe (Operationen, auch Zahnarzt), wiederholte Demütigungen und Traktionen durch andere Kinder, Frühgeburt (insbesondere durch Zeit in Brutkasten)[2][4]
Anmerkungen zu den typischen Ursachen im Kindesalter
- Zu Traumatisierungen von Kindern ist besonders zu erwähnen, daß auch kleine, relativ unscheinbare Ereignisse große Schäden hervorrufen können.[2]
- Die Auswirkungen zeigen sich oft erst im späteren Leben. Der Zusammenhang kann häufig nicht mehr hergestellt werden bzw. wird nicht hergestellt. [3]
- Je früher die Traumatisierungen stattfinden oder beginnen, desto folgenreicher sind sie.[4]
- Speziell hier ist besonders zu beachten: Da bei traumatischen Erlebnissen im Gehirn andere neuronale Verarbeitungen erfolgen, fehlt bei einmaligen Traumaereignissen oft die Erinnerung. Dies kann (aber muß nicht) im Zusammenhang stehen mit dem Dissoziativen Verdrängungseffekt.[2][7]
- Selbstverständlich sind dies nur typische Beispiele. Auch andere Ereignisse die traumatisierend wirken können sind möglich.
Symptome und Verlauf
Übersicht über die möglichen Symptome
Schlaflosigkeit, Intrusionen (aufgezwungene Negativgedanken und Gefühle), Alpträume, Triggererlebnisse (durch bestimmte Dinge ausgelöstes Wiedererleben der Gefühle von schlimmen Erlebnissen), innere Konflikte, Dissoziative Störungen und Konversionsstörungen, Selbstverletzendes Verhalten (SVV) und Autoagressionen, Selbstmordversuche, Parazuizidale Handlungen (Selbstverletzende Handlungen ohne Selbstmordabsicht, die von Außenstehenden als Selbstmordversuche gedeutet werden), Schuldgefühle , zerbrochenes Selbstwertgefühl, Schamgefühle, permanente quälende Gefühlszustände, Gefühl von innerer Leere, Suchtverhalten, starke Leidenschaft und Besessenheit, Zwangsstörungen, Endogene Depressionen, Angststörungen, situativer Realitätsverlust, länger anhaltende bezugsgerichtete Realitätsverdrängung, weitere psychotische Symptome (seltener), Überregungssymptome, erhöhte Sensibilität für Reize, Panik, hohe Emotionalität, extremes Emotionsgedächtniss (fehlende Gefühlsverarbeitung) oder das Gegenteil; Emotionen werden nicht mehr gespürt (der weitaus seltenere Fall), Reizbarkeit, Traumatische Übertragung (unbewusste Belastungen in Sozialkontakten), Traumatische Gegenübertragung. [4][2]
Anmerkung zu den Symptomen
- Die Symptome können bei einem Betroffenen auch gegenteilig vorhanden sein. Beisielsweise kann starken Hemmungen und Angstgefühlen zu anderen Zeitpunkten Hemmungslosigkeit und Übermut entgegenstehen. Oder Konfliktbereitschaft auf der einen Seite kann ausgeprägte Gutmütigkeit, Einfühlsamkeit und Kooperationsbereitschaft gegenüberstehen.
- Die Symptome können auch bei verschiedenen Betroffenen gegenteilig sein. Bei den meisten Betroffenen ist beispielsweise die Emotionalität sehr hoch, andere Betroffene hingegen können nichts mehr empfinden.
Verlauf
Das Besondere an dem Krankheitsbild ist, wie schon der Name sagt, die Komplexität und auch die Individualität. Dies spiegelt sich vor allem im Verlauf und in den unterschiedlichen Ausprägungen wieder.[3] So hat sich zum Beispiel in den letzten Jahren herausgestellt, dass bei einigen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten, erst im hohen Alter Endogene Depressionen entstanden, die durch unerkannte komplex-posstraumatische Belastungsschäden hervorgerufen wurden.[2]
Oft zeigen sich die Auswirkungen der Traumata lange Zeit gar nicht oder nur mit einzelnen Symptomen. Auch die unterschiedlichen Schweregrade sind für den Krankheitsverlauf wichtig. Bei den häufigeren leichteren Formen dieses Krankheitsbildes gelingt es den Betroffenen oft über lange Zeit, sich damit zu arrangieren. Durch Ärtzte oder Psychologen werden meist verschiedene Diagnosen für die Einzelsymptome gestellt, wie Angststörungen, Depressionen oder Neurotische Störungen. Traumapatienten erhalten durch das häufige Übersehen ihrer komplexen Traumastörung im Lauf der Zeit in der Regel mehrere verschiedene Diagnosen.[2] [4]
Unbehandelte oder falsch behandelte Traumaschäden bleiben grundsätzlich bestehen, auch wenn sich die Symptome verändern können. Meist werden die Schäden durch die erhöhte Sensibilität verstärkt. Weitere verstärkende Faktoren sind die typischen ungünstigeren Lebenssituationen, die durch Belastungen wie Depressionen entstehen. Ebenso besteht bei den meisten Betroffenen durch unbewusste Selbstschädigung die Tendenz, dass die Lebenssituation verschlechtert und die Krankheit dadurch letztlich verstärkt wird. Falsche Behandlung kann die Krankheit auch verstärken.[3][5][6]
Bei schwereren Formen entsteht ein Kreislauf der sich selbst verstärkt. Bei richtiger Behandlung kann den Patienten geholfen werden. Bei Nichtbehandlung oder falscher Behandlung enden schwere Formen der Störung nicht selten tödlich. Dies ist nicht nur durch Depressionen und deren Folgekrankheiten bedingt. Vor allem Dissoziative Störungen mit selbstschädigen Mustern, sowie die dadurch bedingten Konversionsstörungen (Kontrollverlust über den Körper) können den Betroffenen zum Verhängnis werden.[5]
Obwohl die Schweregrade der Krankheit sehr unterschiedlich sind, sprechen Traumaxperten von der klaren Tendenz, dass unter den Traumapatienten diejenigen, bei denen auch eine Borderline Störung diagnostiziert wurde, nach Multiplen Persönlichkeiten die schwersten Traumatisierungen aufweisen. [2]
Häufigkeit
Die Häufigkeiten hängen zu einem bestimmten Grad von den Situationen in den jeweiligen Staaten ab. Weltweit machen im Durchschnitt an die 75% der Bevölkerung im Lebensverlauf eine traumatische Erfahrung. Bei rund 25% davon entsteht eine Traumafolgeerkrankung.[2] Die Lebenszeitwahrscheinlichkeit einer PTBS in der deutschen Allgemeinbevölkerung liegt nach derzeitigem Erkenntnissstand zwischen 2% und 7%. Die Prävalenz subsyndromaler Störungsbilder ist deutlich höher. Es besteht eine hohe Chronifizierungsneigung.[8] Auf diesem Gebiet wird derzeit noch geforscht. Von schweren Formen cronifiziert-komplexer PTBS des Borderline Typus sind heute in Deutschland 0,8% bis 1,5% der Bevölkerung betroffen. [1] Etwa 70% bis 80% der schwer komplex Traumatisierten und der Multiplen Persönlichkeiten sind weiblichen Geschlechts. Der Grund dafür liegt im häufigeren sexuellen Missbrauch von jungen Mädchen und Frauen.[9]
Entstehung und Dissoziationen
Das Limbische System ist nach heutigem Wissensstand von zentraler Bedeutung für die Verarbeitung von Erlebnissen. Die Erlebnisverarbeitung erfolgt über zwei Teile des Limbischen Systems, die normalerweise zusammenarbeiten: Über den Hippocampus und über die Amygdala (Mandelkern). Dies wird als "cool system" oder "explizites Gedächtnis" bezeichnet. Bei traumatischen Erlebnissen, die auch als "Traumatic Stress" bezeichnet werden, schaltet die Amygdala den Hippocampus aus. Dabei werden unter hoher emotionaler Erregung die Informationen in das heiße Gedächtnis übertragen. Das verursacht eine seelische Zersplitterung der Persönlichkeit und zeitlose Gegenwärtigkeit traumatischer Gefühle. Dieses Gedächtnissystem wird "hot system", "Feuerwehr" oder "implizites Gedächtnis" genannt. [4][2]
Der Hippocampus - das biographische Gedächtnis[4][2]
Der Hippocampus ist mit dem Thalamus, mit den beiden Großhirnhemisphären und mit den Sprachzentren des Gehirns vernetzt. Er ist ein wichtiger Bestandteil der Informationsverarbeitung. Informationen kommen von den Sinnesorganen und werden über den Thalamus zum Hippocampus transportiert. Von dort werden die Erinnerungen wieder über den Thalamus in den Langzeitspeicher im Großhirn übertragen. Auch stressreiche Erinnerungen benötigen zur gelungenen Integration diese Verarbeitung. Diese gelungene Integration erfüllt drei Anforderungen:
- Biographische Erinnerung: Man weiß die Erinnerungen als eigene reale Erlebnisse, nicht als möglicherweise ein Traum oder Beobachtungen.
- Episodische Erinnerung: Es wird ein klarer Ablauf erinnert (im Gegensatz dazu können z.B. Träume einen wirren Zeitablauf haben).
- Narrative Erinnerung: Man kann ohne sprachliche Blockade darüber reden.
Für den Menschen erfüllt der Hippocampus also die Aufgabe, dass die Erinnerungen zu sich selbst gehörig, einem bestimmten Ort und einer bestimmten Zeit zugeordnet werden.
Die Amygdala - das emotionale Gedächtnis[4][2]
Die Amygdala ist das stressverarbeitende System. Normalerweise arbeitet es parallel mit dem Hippocampussystem. Unter extremen Gefühlen (traumatischer Stress) blockiert die Amygdala die Funktionen des Hippocampus. Die Informationen werden fragmentiert (zersplittert) und zeitlos abgelegt. Es erfolgt keine Einbindung ins Selbst. Die Sprachzentren werden in Bezug auf die Informationen blockiert. Die Erlebnisse werden also nicht als reale eigene Erinnerungen gespeichert, sondern als abgespaltene leicht triggerbare Gefühle. Diese Gefühle sind besonders mit Angst und Verzweiflung verknüpft. Bei körperlichen Informationen geht es meist um Schmerz.
Dauerhafte Beeinträchtigungen[4][1][9
Das Amygdala-System ist beim Menschen schon von Geburt an funktiostüchtig, zumindest in vereinfachter Weise. Das biographische Gedächtniss dagegen wird erst im Alter von zwei bis drei Jahren aktiv. Darum werden alle Stressereignisse von Kleinkindern über die Amygdala gespeichert. Das ist ein Grund, warum die frühen Traumatisierungen die Schwersten und Folgereichsten sind. Die Entwicklung vor Bestehen des biographischen Gedächtnisses heißt "Priming". Sowohl in diesem Entwicklungsstadium als auch bei älteren Menschen verursacht eine chronische Überaktivität der Amygdala eine Degeneration des Hippocampus. Dann wirken Stesserlebnisse regelmäßig traumatisierend. Vor allem komplexe PTBS entsteht durch mehrmalige oder regelmäßige Traumatisierungen. Sowohl in diesen Fällen als auch nach einfachen Traumaerlebnissen kann zusätzlich der "Kindling-Effekt" auftreten: Das Limbische System wird dauerhaft überempfindlich für Stress und die Erregungsschwelle sinkt. Dieser Prozess kann sich verselbstständigen, eine komplexe PTBS weiter verstärken oder eine einfache PTBS zu einer komplexen PTBS machen. Der Prozess, bei dem die Amygdala den Hippocampus deaktiviert und dessen Aufgaben übernimmt, wird als "primäre Dissoziation" oder "peritraumatische Dissoziation" bezeichnet. Bei solchen Ereignissen muss das Hippocampussystem aber nicht vollständig außer Funktion sein. Oft werden noch Bilder oder einzelne Sequenzen gespeichert. Diese Fragmente bilden zusammen mit den von der Amygdala gespeicherten Gefühlen und körperlichen Empfindungen das sogenannte "Traumamaterial".
Für den Betroffenen hat dieses Geschehen später Intrusionen oder Hymnesien (Überflutungen mit belastenden Erinnerungen) zur Folge, sowie Formen von gestörter Selbstwahrnehmung, Depersonalisation, Derealisation, Bewußtseinsstörungen, Dissoziationen, Persönlichkeitsänderungen, Angstgefühle, Gefühle von Panik, Schuldgefühle, Schamgefühle, Gefühle der Beschmutzung, Gefühle der Stigmatisierung, gestörte Wahrnehmung des Täters (falls vorhanden), Hass auf den Täter, Idealisierung möglicher Retter (aufgrund der gespeicherten Hilflosigkeit), Veränderungen des Wertesystems für Beziehungen, extreme Erregbarkeit und Anderes. All diese Dinge werden im weiteren Leben automatisch für das alltägliche Geschehen abgerufen.
No Fight, No Flight - Freeze and Fragment
Der amerikanische Forscher Walter Cannon beschrieb 1914 als erster das Phänomen des "Fight or Flight". Mittlerweile ist es neurologisch erforscht. So reagiert das Gehirn in einer Extremsituation reflexartig auf die Entscheidung, sich in einer Situation zur Wehr zu setzen (Fight) oder die Flucht zu ergreifen (Flight). Wenn jedoch keine der beiden Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung steht, dann reagiert das Gehirn auf die Hilflosigkeit mit "Freeze and Fragment". Das entspricht dem oben beschriebenen Prozess des heißen bzw. emotionalen Gedächtnisses. Freeze bedeutet eine Entfremdung vom Geschehen durch neuronale Überreaktionen, bei denen Übermaße an Endorphinen (Wegtreten) und Nodrenalin (Tunnelblick) beteiligt sind. Auf diese Reaktion folgt das Fragmentieren (Fragment). Die Erfahrung wird aufgesplittert und kann nicht mehr zusammenhängend wahrgenommen werden.
Dissoziationen und Dissoziative Störungen[10] [4][3][2][1][9]
Es wird grundlegend unterschieden zwischen Typ I-Traumata und Typ II-Traumata. Typ I-Traumata sind immer Monotraumata und können, aber müssen nicht, eine einfache Posttraumatische Belastungsstörung zur Folge haben. Typ II-Traumata sind schwerer und haben eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung zur Folge. Es kann sich dabei um Einzelerlebnisse oder um Mehrfachtraumatisierungen handeln.
Eine komplexe Traumatisierung hat immer Dissoziative Störungen (Dissoziationsstörungen) zur Folge und Dissoziative Störungen haben immer komplexe Traumatisierungen als Ursache.
Dissoziationen sind im Gegensatz zu Dissoziationsstörungen Alltagsgeschehnisse jedes Menschen. Dazu gehört zum Beispiel, wenn jemand geistig abwesend ist und auf Autopilot schaltet. Das passiert oft beim Autofahren. Oder wenn jemand Betrunken ist, sich auslebt und sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnert.
Eine Dissoziationsstörung bzw. Dissoziative Störung entsteht durch die zersplitternde Wirkung der Amygdala. Die peritraumatische Dissoziation entsteht in Hilflosigkeit. Sie ist die einzige Reaktionsmöglichkeit, um eine unerträglichen Situation wie Missbrauch oder Folter durchzustehen. Das Unerträgliche wird nicht zur Assoziation ins Bewusstsein freigegeben. Dabei entsteht entweder eine Form der Abspaltung ins Unterbewusste oder eine völlige Abspaltung. Als Hauptmerkmal einer Dissoziativen Störung gilt nach DSM-III-R: "...eine Störung oder Änderung der normalerweise integrativen Funktionen der Identität, des Gedächtnisses oder des Bewusstseins." Diese Störungen haben viele Formen. Die Traumaforscherin Luise Reddemann bezeichnet Dissoziation als "Auseinanderhalten von Bereichen des Seelischen".
Für alle Arten von Abspaltungen gibt es mehrere Möglichkeiten und Schweregrade. Es gibt verschiedene Diagnosekriterien, welche die Abspaltungen in unterschiedliche Kategorien von Dissoziativen Störungen einteilen. Wichtig ist, das eine Person mit Dissoziativen Störungen immer mehrere verschiedene Arten von Dissoziationen aufweist. Eine völlige Abspaltung ist hier die schwerste Form und bedeutet eine Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeit). Auch hier bestehen neben den meist vielen (5 bis mehrere Hundert) Teilpersonen andere Dissoziative Störungen bei den Teilpersönlichkeiten. Bei den Teilpersönlichkeiten besteht naturgemäß eine sehr hohe Komorbidität von Borderline Störungen.
Die dauerhafte Dissoziation von Traumainhalten sorgt ihrerseits wieder für vielfältige Arten von Beschwerden. Sie lässt die abgespaltenen belastenden Gefühle und Persönlichkeitszüge wieder auftauchen und sorgt weiterhin für Spannungen, negative Gedanken, ungewollte unbewusste Verhaltensweisen und Automatismen, Konversionsstörungen, Zwänge, Süchte und Selbstverletzendes Verhalten (SVV). Diese Dissoziationen bzw. Beschwerden werden durch Triggerereignisse ausgelöst und können das Krankheitsbild verstärken. So kann es zu einem Teufelskreis kommen. Zu Selbstverletzendem Verhalten ist allerdings zu erwähnen, dass es davon zwei grundsätzlich verschiedene Formen gibt (siehe Abschnitt Leben der Betroffenen). Eine Form ist für die Betroffenen meistens die einzige Möglichkeit, gegen die Dissoziationen anzukämpfen. Das wird von allen führenden Traumaforschern so bestätigt. Man sucht aktuell Wege, z.B. in Form von Medikamenten, um diese Selbstverletzungen zu ersetzen und überflüssig zu machen.
Die posttraumatische Reaktion wird in drei große Bereiche eingeteilt: Konstriktion (Isolation, sich Zurückziehen, und in bestimmtem Sinn auch alle Formen von Dissoziationen; als Fluchtmöglichkeit), Intrusion (Alpträume, Flashbacks und andere Arten des bewussten Wiedererlebens) und Überregung (erhöhte Emotionalität und Labilität, Reizempfindlichkeit, Streitbarkeit, Konzentrationsstörungen).
Das Leben Betroffener
Allgegenwärtigkeit
[3] [6] [4] Die traumatischen Erfahrungen werden von den Betroffenen nicht nur in Gedanken, Träumen und Gefühlen wieder erlebt. Sie spiegeln sich auch in den Handlungen und sozialen Beziehungen wieder. Traumatisierte wiederholen häufig Aspekte des traumatischen Geschehens. Das erfolgt in verschiedenen Formen und ohne ihr Wissen darüber. Die unterschiedlichen Entstehungen ihrer komplexen Traumastörungen prägen die Betroffenen individuell. Auch die Schwere der Krankheit ist sehr unterschiedlich. Der individuelle Umgang der Betroffenen mit den Problemen sowie ihre Möglichkeiten damit umzugehen unterscheiden sich auch stark.
Probleme nach innen
Zersplitterung und Bipolarität
Die Persönlichkeit von komplex Traumatisierten ist in verschiedene Teile zersplittert. Je mehr traumatische Erlebnisse stattgefunden haben, desto mehr Teile sind vorhanden. Der extremste Fall der Zersplitterung sind Multiple Persönlichkeiten. Dabei entstehen komplett getrennte Persönlichkeiten mit eigenem Bewusstsein und eigenen Erinnerungen. Alle anderen Betroffenen weisen ähnliche Strukturen in unterschiedlicher Form und in unterschiedlichem Ausmaß auf. Das sorgt für viele verschiedene Probleme nach innen und nach außen, die in der Regel schwer zu beeinflussen, schwer vorauszusehen und kaum zu verhindern sind. Auch Betroffene die über ihre Krankheit bescheid wissen, haben nur begrenzten Einfluss. Typischerweise bestehen immer destruktive Persönlichkeitsanteile, welche die Gewalt und den Schrecken der Traumatisierung beinhalten. Letztendlich entwickeln Betroffene dadurch ein Unverständnis für sich selbst und Selbsthass. Die Zersplitterung produziert ein vielfältiges Persönlichkeitsspektrum; mehr als nur die Bipolarität der beiden problematischen Täteridentifizierten und Opferidentifizierten Anteile. Andere Persönlichkeitsanteile können durch die Erwartungen an die Opfer entstehen, die meist Kinder sind. Können die Kinder gut dissoziieren, was ein eigentlich possitiver Schutzmechanismus ist, entstehen Persönlichkeitsanteile, welche beispielsweise den Erwartungen von Mamas Liebling, Papas Liebling, die Wütende, die Ängstliche usw. entsprechen. Da diese Anteile traumatischen Ursprungs sind, bestehen solche Anteile im gesamten Leben.
Chronische Dissoziationen
Chronische Persönlichkeitsaufsplitterung gliedert sich in drei Stufen.
- Die primäre (peritraumatische) Dissoziation während des Traumaerlebnisses
- Die sekundäre Dissoziation: Hier entsteht zum einen die Fassade, die so genannte Alltagspersönlichkeit (ANP) und andererseits das emotionale Innenleben (EP). Schwere Fälle dieser Zersplitterungen heißen Ego State Disorder.
- Im dritten Schritt, der nur in den extremsten Fällen auftritt, entsteht eine völlige Spaltung in mehrere Funktionsbereiche der Persönlichkeit. Die Folge ist eine Multiple Persönlichkeit (Dissoziative Identitätsstörung). Auf dieser Ebene können mehrere ANPs und mehrere EPs vorhanden sein. Jede einzelne Persönlichkeit entsteht durch ein eigenes Extrem-Traumaerlebniss.
Konversionsstörungen
Konversionsstörungen sind körperliche Handlungen, die nicht vom Bewusstsein kontrolliert werden. Sie sind Folgen von Dissoziativen Störungen.
Täteridentifikation und Opferidentifikation
Eine typische Wirkung von Misshandlungen aller Arten ist die Entstehung von Täteridentifizierten Persönlichkeitsanteilen. Die Handlung wird während des peritraumatischen Ereignisses abgespalten vom eigenen Ich durch die Augen des Täters nachvollzogen. Das ist eine Reaktionsmöglichkeit, um mit der Situation klarzukommen und einen Sinn darin zu sehen. Dabei wird die Denkweise des Täters übernommen. Hier entsteht Aggressivität, Gleichgültigkeit, Menschenverachtung, Zynismus, Verurteilung und auch Gefallen an Demütigung. Täteridentifizierte Anteile können beispielsweise durch sexuellen Missbrauch entstehen, als auch durch Quälerei, Unfälle oder durch den Angriff eines Hundes. Den Täteridentifizierten Anteilen stehen auch Opferidentifizierte Persönlichkeitsanteile gegenüber. Sie sind geprägt von Hilflosigkeit, Angst, Panik und Verzweiflung.
Ein Großteil der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörungen entstehen durch sexuellen Kindesmissbrauch und durch schwere Misshandlungen. Nicht alle misshandelten Kinder können die Wirklichkeit durch Dissoziation bewältigen. Die primären Bezugspersonen und Beschützer sind meistens auch die Täter. Das Kind erschafft für sich ein Sinnsystem, welches die Taten rechtfertigt. Dabei entsteht ein negatives Selbstbild. Das Kind betrachtet sich selbst als schuldig und böse. Dann sind die Eltern gut, was für das Kind essentiell ist. Diese geistigen Anpassungsmanöver des Kindes sollen die ursprüngliche Bindung an die Eltern aufrechterhalten, obwohl es regelmäßig ohnmächtig deren Bosheit und Gleichgültigkeit erleben muss. Kindliche Opfer wollen grundsätzlich Missbrauch und Misshandlungen total verleugnen. Im späteren Leben entwickeln Traumatisierte oft eine paradoxe Dankbarkeit gegenüber belastenden Sozialkontakten. Typischerweise begeben sich Opfer von Missbrauch im späteren Leben in bestimmte gefährliche Situationen, was sich in einer hohen Rate an Vergewaltigungen wiederspiegelt.
Depressive Persönlichkeitsanteile, Suizidalität und Endogene Depressionen
Es gibt drei grundsätzliche Persönlichkeitsanteile bei Traumapatienten, die selbstmordgefährlich sein können. Das sind der Täteridentifizierte Anteil, der Opferidentifizierte Anteil und der Depressive Persönlichkeitsanteil. Psychodynamisch wird der Depressive Teil genau zwischen die beiden anderen Persönlichkeitsanteile eingeordnet. Die Gedanken gehen hier in Richtung Apathie, Resignation und Selbstaufgabe.
Mögliche Selbstmorde oder Selbstmordversuche sind von der Art des Persönlichkeitsanteiles geprägt, von dem die Handlung ausgeht. Bei der Täteridentifikation als auslösenden Anteil besteht die Gefahr eines erweiterten Selbstmordes, bei welchem andere Menschen mit in den Tod gerissen werden. Neben diesen drei Persönlichkeitsanteilen gibt es bei komplexer PTBS weitere mögliche Gründe für Selbstmord: Rauschzustand (durch Rauschmittel), psychotische Episoden und als Ergebnis schwerer geistiger Behinderung.
Selbstmorde geschehen oft im Affekt. Bei komplexer PTBS geschehen sie auch nicht nur in Lebenskrisen, obwohl sie dort häufiger auftreten. Suizide können auch in guten Zeiten und in Hochstimmungen stattfinden.
Der Depressive Persönlichkeitsanteil ist allerdings zu unterscheiden von den typischen Endogenen Depressionen bei komplexer PTBS. Allerdings werden depressive Anfälle oft von Gedanken begleitet, die den Depressiven Persönlichkeitsanteilen entsprechen. Sie können rauschartig sein und den Realitätssinn zeitweilig trüben. Die Endogenen Depressionen treten irgendwann im Verlauf des Lebens auf. Sie haben mehrere Facetten und erschweren das Leben sehr. Eine Erscheinungsform ist permanente bleierne Müdigkeit. Sie kann es Betroffenen sogar schwer machen, einen normalen Gesichtsausdruck zu wahren. Eine andere Form ist unüberwindbarer Frust, der oft von Unlust auf jegliche Tätigkeit begleitet wird.
Die zwei Arten von Selbstverletzungen
zwei verschiedene Arten von Selbstverletzendem Verhalten (SVV): Die Erste ist die Aggression durch Täteridentifizierte (seltener auch andere) Persönlichkeitsanteile. Die Andere ist die Wehr gegen unerträgliche Gefühlszustände bzw. Dissoziative Zustände. Diese Form ist grundsätzlich von Selbstmordversuchen zu unterscheiden.
Die Aggression gegen sich selbst durch meist Täteridentifizierte Persönlichkeitsanteile ist nach Schwere und Art der komplexen PTBS sehr verschieden. Sie kann in schweren Fällen sehr autark sein. Bei Multiplen Persönlichkeiten bedeuten diese autonomen Teilpersönlichkeiten große Belastungen und auch Lebensgefahr. Auch bei den eng verwandten schweren Borderline Störungen sind sie ebenfalls sehr belastend und gefährlich.
Die andere Art der Selbstverletzung hat nach aktuellem Wissensstand eine positive Wirkung für die Patienten. Sie haben eine psychodynamische Doppelfunktion und sind Ausdruck eines inneren Konfliktes. Zum einen wird der eigene Körper durch die Verletzungen spürbar und Dissoziative Zustände werden gelöst. Zum anderen wird ein Gegengewicht zu den quälenden Gedanken und Gefühlszuständen erreicht, welche durch die Dissoziationen verursacht werden. Bei Selbstverletzungen werden körpereigene Morphine (Endorphine) ausgeschüttet. Traumatisierte haben einen chronischen Mangel an Endorphinen, die für Wohlbefinden und Glücksempfinden zuständig sind.
Hintergrund und Auslöser sind immer Formen von psychischem Stress. Dazu können auch Beziehungsprobleme und Konflikte gehören. Die Präsenz des Traumamaterials ist hier von zentraler Bedeutung. Die Arten dieser Selbstverletzungen sind vielgestaltig. Leichte Formen sind z.B. Fingernägelkauen (bis zu blutigen Stellen) und das Aufkratzen von Mückenstichen. Schwerere Formen sind das Zufügen von starken Schnittverletzungen und Teilverstümmelungen. Auch Substanzmissbrauch und Bulimie wird bei Traumageschädigten zu Selbstverletzendem Verhalten gerechnet. Die verschiedenen Formen von Selbstverletzungen variieren nach Kultur und im Wandel der Zeiten auch nach Modetrends.
Die zwei Arten von Besessenheit
Neben Selbstverletzendem Verhalten ist Besessenheit eine weitere Möglichkeit, um mit den allgegenwärtigen unerträglichen Gedanken und Gefühlszuständen fertig zu werden. Besessenheit bedeutet, dass ein Mensch einen starken Drang verspürt, bestimmte Vorhaben umzusetzen. Seine ganze Gefühlslage und seine Gedanken sind darauf fixiert. Bei traumatisierten Menschen kann hier die volle Gefühlswucht der traumatischen Erlebnisse auftreten. Wird der Traumatisierte an der Umsetzung gehindert, so kann das zu schlimmen Zuständen und zu erheblichen inneren Schäden führen.
Diese Bedeutung des Ausdrucks Besessenheit, die luzide Besessenheit, ist nicht zu verwechseln mit der historischen bzw. religiösen Bedeutung des Begriffes. Die Zweite wurde oft mit Dämonen in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich um somnambule Besessenheit. Bei somnambuler Besessenheit ergreift eine andere Persönlichkeit Besitz von einem Körper. Nach heutigem Wissen handelt es sich dabei um Multiple Persönlichkeiten oder um Ego State Disorder.
Soziale Typika
Traumatische Übertragung und Bipolarität
Traumatische Übertragung ist bedingt durch das Wiedererleben der traumatischen Situation in sozialen Beziehungen und beim Therapeuten. Hier kehren die Erfahrungen von Gewalt, Hilflosigkeit und Verlassenheit wieder. Der Traumatisierte erlebt, ohne es verhindern zu können, eine Extremsituation. Das Gegenüber erscheint zunächst als die einzige Rettung. Die Erwartungen sind sehr hoch, Idealisiert und in der Regel unrealistisch. Für den Betroffenen gibt es dann nur diese eine Möglichkeit, um den Schrecken des Traumas zu entgehen. Werden die Erwartungen nicht erfüllt, schlagen die Gefühle in Wut und die Gedanken in Entwertung um. Die Traumatische Übertragung wirkt destruktiv in sozialen Kontakten und belastet beide Seiten. Früher vermutete man als Grund eine unterdrückte Aggression des Betroffenen. Inzwischen wurde die Traumatische Übertragung als die Aggression des Täters erkannt.
Traumatische Gegenübertragung
Ein Trauma wirkt in bestimmten Fällen ansteckend. Helfer, vor allem Therapeuten, werden durch die Belastungen des Opfers selber stark belastet. Dabei kann es zu Traumatisierungen kommen. Dies wird auch Traumatisierung aus zweiter Hand genannt. Dabei handelt es sich meist nicht um schwere oder komplexe Traumatisierungen. Typische Symptome sind Schlaflosigkeit, Alpträume, unangenehme Gedanken und Tagträume, Überregung und soziale Spannungen. Therapeuten brauchen deshalb ein soziales Bezugssystem, das sie bei der Arbeit fortlaufend unterstützt. Das ist nötig, um mit den intensiven Reaktionen auf traumatisierte Patienten zurechtzukommen. Viele Therapeuten limitieren aufgrund der hohen Belastungen die Zahl ihrer Traumapatienten.
Instabile und stabile Beziehungen
Da die Entstehung der Traumastörungen bei den Betroffenen unterschiedlich ist, unterscheiden sich auch die Prägungen im Sozialverhalten. Auch die familiäre Situation und andere Faktoren variieren, was sich auf die soziale Einbindung auswirkt.
Auch hier haben Traumatische Übertragungen, unverständliche Verhaltensweisen sowie intensive Emotionen und Gedanken großen Einfluss. Es finden auch unbewusste Selbstverletzungen durch Vergraulen von Bezugspersonen statt. Betroffene haben es diesbezüglich auch bei Kenntnis um ihre Belastungen schwer. Die Konstriktion (siehe Kapitel Entstehung) kann soziale Isolation bewirken. Dabei verspüren Betroffene das Bedürfnis, sich vom traumatischen Stress zu erholen. Einige Betroffene haben aber feste, positive Hochburgen in der sozialen Umgebung. Oft sind es nahe Verwandte, insbesondere Geschwister.
Gefahr der Weiterübertragung
Durch Täteridentifikation und durch die hohe Emotionalität und Reizbarkeit kann das soziale Umfeld stark belastet werden. In diesem Punkt unterscheiden sich die verschiedenen traumatisierten Menschen besonders deutlich. Traumageschädigte werden später manchmal selbst zu Tätern, die andere Traumatisieren oder auf andere Weise Schaden zufügen. Dabei sind oft die eigenen Kinder die Opfer. Dadurch werden Traumaschäden von einer Generation zur nächsten weitergegeben.
Im Behandlungsapparat
In Deutschland wusste man bis 1990 praktisch nichts über Dissoziative Störungen. Das erste Lehrbuch von Fidler erschien im Jahr 1999. Und da man nichts über Dissoziative Störungen wusste, wusste man folglich nichts über komplexe PTBS bzw. Borderline Persönlichkeitsstörungen. Bis heute ist in der Fachwelt auf breiter Ebene wenig über komplexe PTBS bekannt. Diese Tatsache geht sehr zum Leid der Betroffenen. Stigmatisierungen und schädliche Fehlbehandlungen sind immer noch häufig. In der Vergangenheit wurden Betroffene wegen Dissziationen oft fälschlicherweise für psychotisch bzw. für verrückt erklärt und entsprechend Diagnostiziert. Sowohl in den USA als auch in Deutschland erfolgten die Behandlungen nicht selten als Folter durch Elektroschocks (vor allem in den USA) und durch verfehlte Zwangsmedikationen mit schweren Psychopharmaka.
Deutsche Traumaspezialisten klagen bezüglich komplexer PTBS auch über die heutigen Verhältnisse in manchen Psychiatrien. Demnach gibt es einige gute Einrichtungen und viele Mitarbeiter mit den richtigen Einstellungen. Allerdings gibt es auch einige Einrichtungen, in denen veraltete und schädliche Methoden angewendet werden. Mitarbeiter haben fehlendes Verständnis für die paradox wirkenden Traumapatienten. Da zudem ihre Arbeitsbelastungen sehr hoch sind, erleiden die Patienten in der Folge Misshandlungen. Auch Therapeuten können nur eine limitierte Anzahl an komplex Traumatisierten behandeln (siehe Abschnitt Traumatische Gegenübertragung).
Teilkrankheiten und Komorbiditäten
Dem Namen entsprechend, überlagern sich bei der komplexen PTBS mehrere krankhafte Beschwerden. Typisch sind somatische Beschwerden, Zwangssymptome und Neurotische Zwangsstörungen, Endogene Depressionen, Angststörungen, weitere Neurotische Störungen und verschiedene Persönlichkeitsstörungen. Bei Borderline Patienten wird während der Behandlung manchmal festgestellt, dass es sich um eine Multiple Persönlichkeit handelt. Multiple Persönlichkeiten weisen bei den Teilidentitäten meist Störungen vom Borderline Typus auf.
Somatische (körperliche) Beschwerden
Die normale Regulierung körperlicher Zustände ist durch chronische Überregung zerstört. Es treten in der Regel verschiedene körperliche Fehlfunktionen, Krankheiten und Beschwerden auf. Typisch sind Bettnässen (vorwiegend im Kindesalter), Herzbeschwerden, motorische Probleme und verschiedenste Schmerzbelastungen (Spannungskopfschmerzen, Neuralgien etc.).
Persönlichkeitsstörungen
Patienten mit komplexer PTBS erfüllen in der Regel die Kriterien für verschiedene Persönlichkeitsstörungen (PS); bis zu sieben Stück pro Patient und über alle Klassifizierungscluster verteilt. Es ist noch nicht ausreichend erforscht, welche Persönlichkeitsstörungen direkter Bestandteil komplexer PTBS sind und bei welchen es sich um Komorbiditäten handelt.
Persönlichkeitsstörungen werden diagnostisch in drei große Cluster eingeteilt. Jedes Cluster hat eine bestimmte Art. Und für jedes Cluster ist eine Persönlichkeitsstörung benannt, die typisch für das Cluster ist. Sie wird Prototyp des Clusters genannt. Erfüllt ein Patient eine gewisse Anzahl an Kriterien dieses Prototyps, so gehört er zum Cluster. Manche Störungsbilder wurden in den letzten Jahrzehnten entfernt, da sie heute nicht mehr widersprüchlich zur Kultur sind.
Cluster A ist das sonderbare, exzentrische Cluster. Der Prototyp ist hier die Schizotypische Persönlichkeitsstörung. Die weiteren Störungsbilder in diesem Cluster sind die Schizoide PS und die Paranoide PS.
Typische Merkmale des Cluster A (nicht nur Merkmale des Prototyps): Seltsames, exzentrisches Verhalten, ausgesprochene Affektarmut bzw. Gefühlskälte, fehlender zwischenmenschlicher Kontakt, bei vermeintlichen Kränkungen oder Bedrohungen schnelles Umkippen der Stimmung in Wut oder Zorn (auch Gewalttätigkeit möglich), Misstrauen bis hin zum Gefühl der Bedrohung und paranoiden Vorstellungen.
Cluster B ist das dramatische Cluster. Prototyp ist hier die Borderline Persönlichkeitsstörung. Die weiteren Störungsbilder in diesem Cluster sind die Histroinische PS, die Antisoziale bzw. Dissoziale bzw. Soziopathische PS, die Narzistische PS und nach Schneider die Gemütlose Willenlose PS (entspricht der Antisozialen PS), die Explosible PS (entspricht der Borderline PS), die Geltungsbedürftige PS und die Fanatische PS.
Typische Merkmale des Cluster B (nicht nur Merkmale des Prototyps): Affektive Impulsivität, übermäßige Wut und fehlende Impulskontrolle, Tendenzen zur Selbstschädigung, Tendenzen zur Fremdgefährdung (vor allem Dissoziale PS und Narzisstische PS), geringes Selbstwertgefühl, übermäßiges Empfinden von Wut, Scham und Demütigung bei berechtigter und unberechtigter Kritik, schneller Wechsel zwischen Idealisierung und Entwertung von Bezugspersonen, Probleme bei der Regulierung von Nähe und Distanz zu anderen Menschen.
Cluster C ist das änstliche, selbstunsichere Cluster. Prototyp ist hier die Ängstliche Persönlichkeitsstörung. Die weiteren Störungsbilder in diesem Cluster sind die Selbstunsichere PS, die Zwanghafte PS, die Abhängige PS, die Passiv-Aggressive PS, die Anakastische PS, die Asthenische PS (entspricht der Dependenten und der Selbstunsicheren PS), die Affektive PS und nach Schneider die Hyperthyme Stimmungslabile Depressive PS.
Typische Merkmale des Cluster C (nicht nur Merkmale des Prototyps): Leichte Verletzbarkeit durch Kritik und Ablehnung, Übertreibung potenzieller Probleme / Gebrechen / Risiken, andauerndes Angespannt- und Besorgtsein, Gefühl der Hilflosigkeit und Abhängigkeit, starke Trennungsängste, Passive Aggressivität, übermäßige Gewissenhaftigkeit und fehlende Flexibilität.
Multiple Persönlichkeiten
Einordnung
Unter Anderen nach der bekannten Trauma-Pionierin und Professorin an der Harvard Medical School Judith Herman bildet die Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeit, MPS) neben der Somatischen PTBS und der Borderline Persönlichkeitsstörung die dritte Ausprägung der komplexen PTBS. Diese drei Diagnosen wurden früher unter der heute veralteten Bezeichnung Hysterie zusammengefasst. Auch die Histrionische Persönlichkeitsstörung, die im wesentlichen der Borderline Störung entspricht, gehört zu den Nachfolgerinnen des Begriffes Hysterie.
Um komplexe Traumastörungen verstehen zu können, muss man auch die Dissoziative Identitätsstörung verstehen. Denn es besteht das gleiche Grundprinzip. Daher wirkt vieles paradox und unverständlich. Die MPS hat eine enge Verwandtschaft mit der Borderline Störung (schwere komplexe PTBS) und es besteht eine hohe Komorbidität (siehe oben).
Bei Multiplen Persönlichkeiten finden sich besonders schwere Depressionen und weitere Traumafolgen.
Zersplitterte Persönlichkeit
Bei der Dissoziativen Identitätsstörung bestehen definitionsgemäß mindestens zwei voneinander unabhängige Teilpersönlichkeiten mit eigenem Bewusstsein. Diese übernehmen wiederholt selbstständig Kontrolle über Körper und Handlung, sie haben eigene Erinnerungen und es bestehen Amnesien.
In der Realität bestehen allerdings meist viele Teilpersönlichkeiten von etwa 5 bis zu 1000 Stück. Bei extrem hoher Anzahl erfolgt eine Auflösung des Ich. Die typische, allseits bekannte bipolare Zweiteilung der Pesönlichkeit gehört eher ins Reich der Märchen und Mythen. Allgemeine Bipolarität findet sich eher bei der Borderline Persönlichkeitsstörung.
Entstehung
Multiple Persönlichkeiten sind die schwerste Form der komplexen PTBS. Die Ursachen sind daher auch die schwersten Formen von wiederholter und lang andauernder Gewalt, schweren Misshandlungen Folter, todesnahen Situationen in früher Kinheit oder schwerwiegenden und schmerzhaften medizinischen Eingriffen in frühen Lebensjahren. 80% der Multiplen Persönlichkeiten sind Frauen.
Bei den Teilpersönlichkeiten bestehen wiederum meist mehrere andere (und damit leichtere) Formen von Dissoziativen Störungen und dadurch auch Borderline Persönlichkeiten.
Man unterscheidet hier drei verschiedene, steigernde Kategorien bzw. dissoziativen Einheiten. Sie entsprechen auch der zeitlichen Abfolge der Entstehung von Multiplen Persönlichkeiten:
- Dissoziative States: Das sind unterschiedliche Zustände, in denen eine Persönlichkeit sich befinden kann.
- Dissoziative Fragments: Bei einmaliger Traumatisierung bilden sich Splitter bzw. Risse in der Persönlichkeit. Dies entspricht der Ego State Disorder (siehe Abschnitt Probleme nach Innen). Von der Alltagspersönlichkeit (APN) sind Persönlichkeitsanteile (emotional personalities, EPs) abgesplittert, die einzelne Fähigkeiten, alterstypische Wissensfragmente oder eigene Erinnerungen haben.
- Dissoziative Alters / Alter Egos: Bei mehreren oder vielen Traumatisierungen kann es zur tertiären Dissoziation kommen. Die Persönlichkeit zerbricht schließlich in Teile mit jeweils eigenem Ich. Pro Traumaerlebnis kann jeweils eine weitere Teilpersönlichkeit entstehen.
Persönlichteistypen und Präsenzschichten
Die Teilpersönlichkeiten haben zeitweise entweder volle Autonomie oder Teilautonomie über Körper und Handlungen. Sie gliedern sich in vier wesentliche Funktionsbereiche. In jedem Funktionsbereich gibt es in der Regel mehrere eigene Teilpersönlichkeiten.
- Das unbeschwerte Kind (ANP): Entwickelt sich später zum Host, also zur Gastgeberpersönlichkeit bzw. zur Fassade. Es kann auch mehrere Hosts geben. Sie wissen in der Regel nichts von den anderen Persönlichkeitsteilen und haben keine Erinnerung an die Schreckensereignisse und wenig Erinnerungen an die frühere Vergangenheit.
- Das Opfer: Hilflose Persönlichkeit, hat Selbstvorwürfe, birgt Suizidalität, spiegelt Gefühle, Schmerzen, Wahrnehmungen und Handlungen während des Traumas wieder.
- Täteridentifizierte und selbstbeschützend aggressive Anteile: Täteridentifizierte Persönlichkeiten entstehen im Moment des äußersten Schmerzes. Sie bestehen oft nur aus negativen Gefühlen. Selbstbeschützend aggressive Teile bestehen entweder aus purem Hass oder Zynismus und vertreten die Täterseite, oder es sind beschützende Outlaws und Djangos.
- Beobachter: Depersonalisierte, distanzierte Teile der Persönlichkeit, neutral und affektfern (ohne Negativempfindungen). Sie bekommen in der Regel alles mit und koordinieren andere Teile. Beobachter sind die Wächter und Beschützer der gesamten Person.
Die Teilpersönlichkeiten wissen jeweils unterschiedlich viel über die Anderen. Manche kennen keine oder nur wenige Andere, Andere wiederum kennen mehrere. Meistens kennt keine Teilpersönlichkeit alle anderen, außer vielleicht einer der Beobachter. Ihre Lagen zum Bewusstsein der Außenpersönlichkeit und zur Handlungsebene sind unterschiedlich gelagert. Dabei gibt es verschiedene Schichten. Bestimmte Teile, beispielsweise welche die Kindheitsmomente oder den Persönlichkeitskern verkörpern, kommen eventuell nie an die Oberfläche.
Innere Probleme
Identitätswechsel, sogenannte Switches, werden durch äußere Reize ausgelöst. Häufige Switches belasten den Menschen in der Regel schwer. Die Teilpersönlichkeiten stehen oft in Konflikten miteinander. Aggressive Teile nehmen gelegentlich Selbstbestrafungen vor. Die Alltagspersönlichkeit (ANP) weis manchmal selber nicht, dass sie multipel ist. Vor allem in der Kindheit und Jugend ist es ihr selten schon bekannt.
Weiterübertragung
Wie auch bei den anderen Formen von komplexer PTBS, kann die Dissoziative Identitätsstörung auch von einer Generation auf die Nächste weiter übertragen werden. Dabei nehmen Täteridentifizierte Persönlichkeiten schwere Misshandlungen an Babys und Kleinkindern vor, während sich andere Teilpersönlichkeiten liebevoll um ihre Kinder kümmern.
Behandlung
Multiple Persönlichkeit ist eine Metadiagnose (übergeordnete Diagnose). Sie erfordert eine andere Behandlung als andere Fälle von komplexer PTBS. Ziel muss nicht immer die vollständige Integration zu einer einzigen Persönlichkeit sein. Das ist auch nicht immer möglich. Ziel ist dann eine funktionierende, aufeinander abgestimmte Gesamtheit.
Behandlungen
Übersicht über mögliche Behandlungen
Informieren[8]
- Die Betroffenen sollten über die chronifiziert-komplexe PTSD, die Zusammenhänge und mögliche Verläufe aufgeklärt werden
- Betroffene sollten Hilfe und Hinweise bezüglich Möglichkeiten selbstständiger Informationsgewinnung bekommen
Erste Maßnahmen[8]
Herstellen eines geschützen Umfeldes (zum Schutz vor weiterer Traumaeinwirkung), Organisation des psycho-sozialen Helfersystems, Frühes Hinzuziehen eines mit PTSD-Behandlung erfahrenen Psychotherapeuten
Traumaspezifische Stabilisierung (nur von speziell qualifizierten Ärzten oder Psychologen vorzunehmen!) [8]
Krisenintervention, Anbindung zur engmaschigen diagnostischen und therapeutischen Betreuung, Ressourcenorientierte Interventionen (z.B. Distanzierungstechniken, Imaginative Verfahren)
Traumabearbeitung (nur von speziell qualifizierten Ärzten oder Psychologen vorzunehmen!)[8]
Kognitiv-behaviorale Therapie (Traumaadaptiert, im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes), psychodynamische Therapien (Traumaadaptiert, im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes), mehrdimensionale psychodynamische Traumatherapie (MPPT), psychodynamisch imaginative Traumatherapie (PITT), Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR), Kombination von Therapien, Einbeziehung adjuvanter Verfahren (z.B. stabilisierende Körpertherapie, künstlerische Therapie), Maßnahmen: In Abhängigkeit von Schwere der Störung und Stabilisierungsbedarf
Später / Weiterführende Möglichkeiten[8]
Entwicklung von Zukunftsperspektiven, soziale Unterstützung, Einbeziehung von Angehörigen, berufliche Rehabilitation
Spezielle Möglichkeiten
Es kann auch erforderlich sein, Teilerkrankungen wie Depressionen gezielt zu behandeln, möglicherweise schon vor der eigentlichen Traumatherapie
Medikamentöse Behandlungen[7][2][8]
Bei Depressionen Antidepressiva, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Im Bedarfsfall (bei schwereren psychotischen Beschwerden) Neuroleptika, Bei zugleich bestehender ADHS/ADS ist eine entsprechende Medikation grundlegend, Andere (bei entsprechenden weiteren Beschwerdebildern)
Veraltet / Gefahren / Mögliche Fehlbehandlungen
- Traumakonfrontation (vor allem Frühzeitige) ist hier sehr Gefährlich![1][4][1]
- Behandlung ohne Gesamtbehandlungsplan[8]
- Nicht traumaadaptierte psychodynamische Techniken[8][6][1]
- Nicht traumaadaptierte behaviorale Techniken[8][6][1]
Medikamente
[7] [2] [1] Medikamente sind immer nur ein ergänzender Teil einer gesamtheitlichen Traumabehandlung. Sie werden nach den Beschwerden verordnet, die im Vordergrund stehen.
Depressionen und Schmerzbehandlung:
Bei den typischen Endogenen Depressionen liegt eine Störung des Gehirnstoffwechsels zugrunde. Hier werden Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer eingesetzt. Bekannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sind Fluoxetin, Sertralin, Citalopram und Paroxetin. Bei gleichzeitigen somatischen (körperlichen) Beschwerden wie z.B. Spannungskopfschmerzen werden trizyklische Antidepressiva wie Amitryptilin eingesetzt. Sie wirken gegen Depressionen und zugleich schmerzlösend. Zur alleinigen Schmerzbehandlung genügt eine niedrigere Dosierung.
Angst- und Zwangsstörungen: Auch bei Angststörungen und Zwangsstörungen gelten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer als wirksam.
Suizidalität: Bei Suizidalität werden speziell die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin oder Setralin verwendet.
Schlafstörungen und Alpträume: Bei Schlafstörungen sind klassische Schlafmittel (z.B. Chloralhydrat, Zopiclon ) nur für die kurzfristige Verwendung geeignet. Zur längerfristigen Behandlung von Schlafstörungen sind sedierende (beruhigend und schlaffördernde) Antidepressiva geeignet. Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitryptilin) wirken zugleich gegen Alpträume
Selbstverletzungen: Gegen Selbstverletzungsdruck wird gelegentlich das Psychopharmakon Naltrexon eingesetzt. Es hebt die Wirkung von Opiaten auf. Da bei Selbstverletzendem Verhalten im Gehirn Endorphine freigesetzt werden (die wie Opiate wirken), nimmt Naltrexon den erlösenden Effekt. Nach neueren Erkenntnissen hilft Naltrexon möglicherweise auch bei Dissoziativen Zuständen. Des weiteren können Neuroleptika der zweiten Generation (früher atypische Neuroleptika genannt) eingesetzt werden. Hierzu zählen Risperidon, Olanzapin, und Quetiapin. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z.B. Fluoxetin) wirken ebenfalls gegen Selbstverletzendes Verhalten.
Stimmungsschwankungen: Bei extremen Stimmungsschwankungen können Lithium, Carbamazepin oder Valporat sinnvoll sein.
Angst- und Unruhezustände: Akuten Angst- und Unruhezuständen, also aktuellen Krisensituationen, kann mit niedrig potenten Neuroleptika (z.B. Promethazin) begegnet werden. Hierbei steht deren schlaffördernde Wirkung im Vordergrund.
Impulskontrolle, Aggressionen und psychotische Zustände:
Bei Problemen mit der Impulskontrolle und aggressivem Verhalten sowie bei beginnendem Realitätsverlust (psychoseähnliche oder psychosenahe Zustände) können mittelpotente Neuroleptika (z.B. Perazin, Olanzapin) eingesetzt werden. Der Einsatz ist aber sorgfältig abzuwägen, da hier dauerhafte Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen auftreten können. Bei akuten Psychosen (Realitätsverlust; z.B. Schitzophrenie, Manie, Wahn) mit möglicher Selbst- und Fremdgefährdung werden hochpotente Neuroleptika eingesetzt.
Angst- und Panikkrisen: Der Einsatz von Tranquilizern gegen Angst- und Panikstörungen sollte unter anderem wegen der Abhängigkeitsentwicklung nur sehr zurückhaltend erfolgen. Benzodiazepine (z.B. Valium oder Tavor) werden nur als äußerste Notlösung in Krisensituationen angewendet. Benzodiazepine sollten allerhöchstens für drei Tage angewendet werden, denn sie machen schnell und schwer abhängig, emotional instabil und haben einen raschen Wirkungsverlust.
ADHS: Bei ADHSlern mit komplexer PTBS werden Methylphenidat und Amphetaminsulfat eingesetzt. Hier ist die Wirkung sehr effektiv und erleichternd.
Äußere Sicherheit
Das traumatisierende Umfeld muss verlassen werden und für Schutz davor gesorgt werden. Möglicherweise bedarf es dazu juristischer Hilfe oder exekutiver Hilfe durch Sozialarbeiter. Opferverbände können helfen und auch das Opferhilfegesetz kann Ansprüche sichern. Täterkontakt soll unterbunden und vermieden werden. Passiver Täterkontakt kann nicht immer vermieden werden. Passiver Täterkontakt wäre Beipielsweise die Pflege eines Elternteils, der sich in der Kindheit am Opfer vergangen hat. Unterstützung in guten Freundschaften und guten Partnerschaften ist hilfreich.[3] [2] [4]
Information
Für die Betroffenen ist Information über ihre Belastungsstörung und über die Hintergründe eine große direkte Erleichterung. Daher wird auf ihren Anspruch darauf immer wieder hingewiesen. Die Informationen machen das Verständnis der Betroffenen für sich selbst möglich, das meist zerrüttet ist. Es dient außerdem der Orientierung. Das selbstständige Finden eines geeigneten Therapeuten, langfristige Planung und die Motivation für Veränderung werden durch Informieren ermöglicht. Auch für den Selbstschutz (SVV, potentielle Täter und Gefahren) ist die frühe Aufklärung der Betroffenen notwendig. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, auch das engere soziale Umfeld des Betroffenen entsprechend zu informieren. Selbstständig informieren können sich Betroffene bei speziellen Internetadressen, bei Opferverbänden und durch Bücher.[3] [2]
Traumaspezifische Stabilisierun
Es soll eine bestmögliche Einbindung in ein soziales Umfeld erreicht werden, einschließlich tragfähiger Partnerschaften. Für die spezielle Behandlung ist ein Hausarzt nicht entsprechend qualifiziert, hier bedarf es Traumaspezialisten. Der Aufbau einer guten therapeutischen Beziehung ist grundlegend. Am Anfang steht meist aktuelles Krisenmanagement. Im Zweifelsfall sollte immer von Traumatisierungen ausgegangen werden. Traumata können sich gut verbergen. Nicht traumaadaptierte Techniken können Traumatisieren und damit großen Schaden anrichten. Umgekehrt hingegen können traumaadaptierte Techniken keinen Schaden verursachen. Auch außerhalb der Therapeutischen Beziehung kann Nichtanerkennung des Traumas retraumatisieren. Die Beziehungssicherheit zum Therapeuten bedarf fester und klarer Absprachen. Dazu gehört die Neutralität des Therapeuten in Bezug auf innere Konflikte des Patienten sowie der Gefahr von Idealisierungen und Entwertungen vorzubeugen. Auch der Traumatischen Übertragung, einer destruktiven Kraft zwischen Patient und Therapeut, muss Rechnung getragen werden. Nach Judith Herman wurde dieses Phänomen als Wiederspiegelung der Gewalttätigkeit des Täters identifiziert. Zur Stabilisierung gehört auch der Aufbau von Eigenverantwortung und Independenz (Unabhängigkeit) als Persönlichkeitsstärkung. Dies sollte von Anfang an erstrebt werden. Wenn der Traumatisierte bemüht ist, eine neues Gefühl von Sicherheit aufzubauen, sind seine Beziehungen zu anderen Menschen extremen Schwankungen unterworfen. Er wird sich möglicherweise bemühen, keine Minute allein sein zu müssen, oder umgekehrt, total isolieren. Auch hier ist Verständnis für das Verhalten gefragt und Sensibilität im Umgang damit.[3] [2] [4]
Distanzierung
In diesem Stadium soll das Traumamaterial (belastende Erinnerungen, Schmerzzustände, Gefühle, Alpträume usw.) in Distanz gebracht werden. Das ist naturgemäß nur bedingt möglich. Ziel ist hier, die Persönlichkeit ausreichend für die Traumabearbeitung zu stabilisieren. Nicht bei jedem Patienten kann dieses Ziel erreicht werden. Es gibt spezielle Distanzierungsübungen; die Bildschirmtechnik, der "innere Beobachter" und die Beobachtertechnik.
Bildschirmtechnik: Belastende Ereignisse oder traumatisierende Erlebnisse (soweit Bewusst) werden vom Patienten als Film betrachtet. Der Film kann variert werden. Der Patient kann ihn in Szenen einteilen, anhalten, zurückspulen, die Farbe herausnehmen, den Ton herausnehmen, das Bild kleiner machen, Szenen ausblenden und, falls erträglich, in die Szenen einsteigen.
Innerer Beobachter: Hier geht es um Selbstbeobachtung bei belastenden inneren Vorgängen. Die entstehenden Gedanken und Assoziationen auf Ereignisse sollen bewusst wahrgenommen werden. Dadurch lässt sich Distanz zum momentanen Geschehen erreichen.
Beobachtertechnik: Der Patient beobachtet sich durch Erinnerung selbst bei traumatischen Erlebnissen oder belastenden Ereignissen. Dabei nimmt er eine neutrale bzw. außenstehende Rolle ein, ähnlich der eines Reporters.
Traumabearbeitung / Traumakonfrontation / Traumaexposition
[3] [2] [4] Dieser Schritt ist vor allem bei der komplexer PTBS heikel und risikobehaftet. Bei einfacher PTBS geht es hier um die Durcharbeitung und Verarbeitung des Traumas unter geschützten Bedingungen. Bei komplexer PTBS darf die Traumakonfrontation nicht zu früh erfolgen, was leider sehr oft passiert, auch durch Fachleute. Zudem müssen bestimmte Vorraussetzungen erfüllt sein. Der Patient muss belastende Gefühle durchstehen können ohne dabei zu dissozieren. Ebenso muss er sich selbst beruhigen und trösten können, was bei komplexer PTBS keine Selbstverständlichkeit ist. Bei zu früher oder falscher traumakonfrontativer Arbeit können sich die Schäden erheblich verstärken. Die Traumakonfrontation erfordert hier besonders schonende Verfahren. Der Therapeut muss in den angewandten Methoden erfahren oder dabei sehr gut angeleitet sein. Es darf kein Täterkontakt mehr bestehen, auch kein passiver Täterkontakt.
Das BASK-Modell: Dieses Konzept stammt von Benett Braun, einem amerikanischen Psychotherapeuten. Es dient zur Orientierung bei der gesamten Traumakonfrontation. In Anbetracht der Dissoziation sollen vier Bereiche zusammengefügt werden: Verhalten (Behaviour), Gefühle (Affect), Körperleben (Sensation) und Gedanken (Kognition).
EMDR - Eye Movement Desensitization and Reprocessing: EMDR wurde von Francine Shapiro entwickelt. Es ist als das wirksamste Verfahren bei einfacher PTBS bekannt. Bei komplexer PTBS jedoch darf es nur in modifizierter Form angewendet werden. Dafür benötigt der Traumatherapeut eine solide Ausbildung, die weit über wenige Kurse hinausgeht. Ansonsten birgt diese Methode bei komplexer PTBS große Gefahr. Bei EMDR wird durch Augenbewegung eine Verarbeitung des Traumas im Gehirn stimmuliert.
PITT - Psychodynamisch imaginäre Traumatherapie: PITT wurde von Luise Reddemann entwickelt. Es konnte nachgewiesen werden, dass durch Vorstellungskraft (Imagination) ein Gegengewicht zu den negativen traumatischen Einflüssen aufgebaut werden kann. Dabei werden schon vorhandene Fähigkeiten des Patienten gezielt therapeutisch genutzt.
MPTT - Mehrdimensionale psychodynamische Traumatherapie: Dieses Verfahren stammt von Gottfried Fischer. Hierbei wird dem Patienten die Traumaverarbeitung bewusst gemacht. Mithilfe einer für Sicherheit sorgenden Beziehung werden neue Wege aus dem Trauma enwickelt.
Kognitiv-behaviorale Therapien: PTSD-Patienten haben Schuldgefühle und andere negative Empfindungen und denken daher oft unrealistisch. Aus behavioraler Sicht haben diese Faktoren einen schädlichen Einfluss. Der hier genutzte Vorteil ist, dass diese Gedanken und Empfindungen leichter für eine Bearbeitung zugänglich sind.
Psychodynamische Therapien: Hier werden unbewusste Vorgänge stärker berücksichtigt. Außerdem werden Einsicht, Verständnis und die Nutzung der Therapeutischen Beziehung besonders gewichtet.
Integration
Die Traumatischen Erinnerungen werden im Verlauf der Traumabearbeitung in die Persönlichkeit und in die Lebensgeschichte (Biographie) integriert. Dabei soll eine Versöhnung des Patienten mit sich selbst erreicht werden. Dann kann er ans weitere Leben anknüpfen. Dabei soll es möglich sein, sich wieder auf die Anforderungen des normalen Lebens konzentrieren zu können. Neue tragfähige Beziehungen zu vertrauenswürdigen Menschen sollen ermöglicht werden. Als besonders hilfreich für Patienten kann eine Aufgabe mit besonderem Engagement sein, eventuell für andere Traumaopfer. Nach Judith Herman kann auch der systematische Aufbau von therapeutischen Gruppen sinvoll sein. [3] [4] [7]
Weiterführende Maßnahmen
Grundsätzlich werden schwere komplexe Traumata nie vollständig verheilen. Nachwirkungen der Traumata können immer wieder auftauchen, speziell in neuen belastenden Lebensabschnitten. Darauf sollten die Patienten auch entsprechend vorbereitet werden. Dadurch ist in den entsprechenden Lebenslagen Orientierung gegeben und erneute Behandlungen werden erleichtert. [3] [7]
Literatur
Fachliteratur
- Judith Herman: Die Narben der Gewalt // Junfermannsche, 2003, ISBN 3-87387-525-X
- Ibrahim Özkan, Annette Streeck-Fischer, Ulrich Sachsse: Trauma und Gesellschaft // Vandenhoeck&Ruprecht, 2002, ISBN 3-525-45893-2
- Otto F. Kernberg, Birger Dulz, Ulrich Sachsse et al: Handbuch der Borderline-Persönlichkeitsstörungen // Schattauer, Stuttgart 2000, ISBN 3-7945-1850-0
- Michaela Huber: Trauma und die Folgen (1) // Junfermannsche, Paderborn 2003, ISBN 3873875101
- Michaela Huber: Wege der Traumabehandlung (2) // Jungermannsche, Paderborn 2003, ISBN 3-87387-550-0
- Maggie Phillips, Claire Frederick, Handbuch der Hypnotherapie bei posttraumatischen und dissoziativen Störungen // Auer-System-Verlag, 2003, ISBN 3-89670-400-1
- Thomas Bronisch, Martin Bohus, Matthias Dose, Luise Reddemann, Christine Unckel: Krisenintervention bei Persönlichkeitsstörungen // Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-608-89007-6
- Martin Zobel: Traumatherapie (Psychiatrie-Fachbuch) // Psychiatrie-Verlag GmbH, Erscheint vorraussichtlich im April 2006, ISBN 3-88414-404-9
- Franz Resch, Michael Schulte-Markwort: Kursbuch für integrative Kinder- und Jugendpsychotherapie (Schwerpunkt: Dissoziation und Trauma) // Psychologie Verlagsunion, ISBN 3-621-27554-1
- Christian Scharfetter: Dissoziation, Split, Fragmentation // Huber Verlag, 1999, ISBN 3-456-83215-X
- Michaela Huber: Multiple Persönlichkeiten, die Frau in der Gesellschaft // Fischer Taschenbuch Verlag, 2004, ISBN 3-596-12160-4
- Francine Shapiro: EMDR als integrativer psychotherapeutischer Ansatz // Junfermannsche, Paderborn 2003, ISBN 3-87387-541-1
- Bessel van der Kolk: Traumatic Stress // Guilford, 1996, ISBN 1-57230-088-4
- Bessel van der Kolk, Alexander Mc Farlane, Lars Weisaeth: Traumatic Stress // Junfermannsche, Paderborn 2000, ISBN 3-87387-384-2
- Frank W. Putnam: Diagnose und Behandlung der Dissoziativen Identitätsstörung // Junfermannsche, Paderborn 2003, ISBN 3-87387-490-3
- Peter Fiedler: Dissoziative Störungen und Konversion // Psychologie Verlagsunion, 2001, ISBN 3-621-27494-4
- B. Hudnall Stamm: Sekundäre Traumastörungen // Junfermannsche, Paderborn 2002, ISBN 3-87387-489-X
Für Betroffene
- Luise Reddemann, Cornelia Dehner-Rau: Trauma - Folgen erkennen, 2. korrigierte Auflage // Trias Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-8304-3345-X
- Aphrodite Matsakis: Wie kann ich es nur überwinden // Junfermann, 2004, ISBN 3-87387-592-6
Siehe Auch
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Dissoziative Störung
- Dissoziative Persönlichkeitsstörung
- Borderline Persönlichkeitsstörung
- Depression
- Angststörung
Weblinks
Fachlich
- Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotramatologie
- Deutsche Sektion der Internationalen Gesellschaft zum Studium dissoziativer Störungen, ISSD
- Prof. Ulrich Sachsse
- EMDIRA, die deutschsprachige Fachgesellschaft der EMDR-Therapeuten
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften - Posttraumatische Belastungsstörung
Für Betroffene
- Arbeitskreis Opferhilfen
- Weisser Ring
- Schotterblume
- Förderverein der Bielefelder Klinik
- Durch Gewalt traumatisierte Männer
Quellen
(siehe auch Literatur)
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Thomas Bronisch, Martin Bohus, Matthias Dose, Luise Reddemann, Christine Unckel: Krisenintervention bei Persönlichkeitsstörungen, Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-608-89007-6
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y Luise Reddemann, Cornelia Dehner-Rau: Trauma - Folgen erkennen, 2. korrigierte Auflage, Trias Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-8304-3345-X
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Judith Herman: "Die Narben der Gewalt", Junfermannsche, 2003, ISBN 3-87387-525-X
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z Michaela Huber: "Trauma und die Folgen, Band 1", Junfermannsche , 2003, ISBN 3-87387-510-1
- ↑ a b c d e Otto F. Kernberg, Birger Dulz, Ulrich Sachsse, Joel Paris et al: Handbuch der Borderline-Persönlichkeitsstörungen, Schattauer, Stuttgart 2000, ISBN 3-7945-1850-0
- ↑ a b c d e f g h i Ibrahim Özkan, Annette Streeck-Fischer, Ulrich Sachsse, Ursula Gast: Trauma und Gesellschaft, Vandenhoeck&Ruprecht, 2002, ISBN 3-525-45893-2
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- ↑ a b c d e f g h i j Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/051-010.htm
- ↑ a b c d e f g Michaela Huber: "Multiple Persönlichkeiten", Fischer Taschenbuch Verlag, 2004, ISBN 3-596-12160-4
- ↑ a b c d e Archiv Prof. Dr. Ulrich Sachsse http://www.ulrich-sachsse.de/entw4/archiv01.html